Im Jahre 2020 wurden bereits im zwölften Jahr in Folge diejenigen Kinder statistisch erfasst, die wegen vermuteter oder sicherer Kindsmisshandlung ambulant oder stationär an einer Schweizerischen Kinderklinik behandelt worden waren. Erneut haben alle 21 grossen oder mittelgrossen Kinderkliniken an der Umfrage teilgenommen, sodass in dieser Statistik sicher ein ganz grosser Teil derjenigen Kinder erfasst wird, die wegen irgendeiner Form von Kindsmisshandlung an einer Kinderklinik in der Schweiz behandelt worden waren.
Resultate
Insgesamt wurden im Jahr 2020 von allen Kliniken zusammen 1‘590 Fälle gemeldet, 1,5 % mehr als im Vorjahr. Erneut ist festzuhalten, dass diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl von Kindsmisshandlungen in der Schweiz widerspiegelt. Wir beschränken uns in der statistischen Erfassung auf die Kinder, die effektiv auch in der Kinderklinik gesehen wurden; die sehr vielen Fälle, wo eine Kinderschutzgruppe eine externe Stelle nur beraten hat, werden dabei nicht erfasst. Zudem werden viele Kinderschutzfälle gar nie an einer Kinderklinik abgeklärt.
Statistik 2020
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pädiatrie schweiz ( Schweizerische Gesellschaft für Pädiatr ie)
Fachgruppe Kinderschutz der S chweizerischen Kinderkliniken
Baden , Mai 2021
Kinderschutzfälle an Schweizerischen Kinderkliniken: Die Situation im Jahr 1 von Corona
Im Jahre 2020 wurden bereits im zwölften Jahr in Folge die jenigen Kinder statistisch erfasst, die we-
gen vermuteter oder sicherer Kindsmisshandlung am bulant oder stationär an einer S chweizerischen
Kinderk linik behandelt worden waren. Erneut haben alle 21 grossen ode r mitt elgrossen Kinderkliniken
an der Umfrage teilgenommen, sodass in dieser Statistik sicher ein ganz grosser Teil derjenigen Kin-
der erfasst wird, die wegen irgendeiner Form von Kindsmisshandlung an einer Kinderklinik in der
Schweiz behandelt worden waren.
Resultate
Insgesamt wurden i m Jahr 2020 von allen Kliniken zusammen 1‘590 Fälle gemeldet, 1,5 % mehr als
im Vorjahr. Erneut ist festzuhalten , dass diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl von Kindsmisshand-
lungen in der Schweiz widerspiegelt. Wir beschränken uns in der statistischen Erfassung auf die Kin-
der, die effektiv auch in der Kinderklinik gesehen wurden; die sehr vielen Fälle, wo eine Kinderschutz-
gruppe eine externe Stelle nur beraten hat, werden dabei nicht erfasst. Zudem werden viele Kinder-
schutzfälle gar nie an einer Kinderk linik abgeklärt.
Körperliche Misshandlung 584 (36,7 %)
Psychische Misshandlung 317 (19,9 %)
Vernachlässigung 427 (26,9 %)
Sexueller Missbrauch 259 (16,2 %)
Münchhausen -Stellvertreter -Syndrom 5 ( 0,3 %)
In der Häufigkeit an erster Stelle steht erneut die körperliche Misshandlung, was auch damit erklärt
werden kann, dass Kinder mit sichtbaren Spuren oder Verletzungen häufiger an einer Kinderklinik vor-
gestellt werden als zum Beispiel Kinder mit Verdacht auf se xuellen Missbrauch. Unverändert sind er-
neut mehr Mä dchen als Knabe betroffen (55 zu 45 %), 18,4 % der misshandelten Kinder sind jünger
als ein Jahr, 44 % der Kinder jünger als sechs Jahre alt.
Geschlecht der Kinder in den einzelnen Diagnosegruppen:
Knaben Mädchen
Körperliche Misshandlung 55,0 % 45,0 %
Vernachlässigung 48,5 % 51,5 %
Psychische Misshandlung 47,0 % 53,0 %
Sexueller Missbrauch 17,2 % 82,8 %
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Unverändert nahezu ausgeglichene Geschlechterverteilung in allen Misshandlungsformen mit Aus-
nahme des sexuellen Missbrauchs, der viel mehr Mädchen als Knaben betrifft.
Sicherheit der Diagnose
Sicher 943 (59 ,3 %)
Wahrscheinlich 347 (21,8 %)
Unklar 300 (18,9 %)
Am sichersten waren sich die Fachleute mit 73,5 % bei der Diagnose psychische Misshandlung. In
diese G ruppe fallen auch all die Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, was in vielen Fällen einer
psychischen Misshandlung entspricht. Viele Fälle von vermutetem sex uellem Missbr auch (> 40 %)
blieben unklar, da der sexuelle Missbrauch in aller Regel keine sichtbaren Spuren hinterlässt.
Täterin / Täter: Beziehung zum Kind
Familie 1’195 (75,2 %)
Bekannte/r des Kindes 229 (14,4 %)
Fremdtäter 69 ( 4,3 %)
Unbekannter Täter 98 ( 6,1 %)
Vor allem die psychische Misshandlung und die Vernachlässigung werden durch die direkten Erzie-
hungsberechtigen der Kinder begangen. Beim sexuellen Missbrauch sind gut 37 % aus der Familie,
ebenfalls 37 % aus dem Bekanntenkreis des Kindes, der Rest sind Fremdtäter oder unbekannte Täter.
Täterin / Täter: Geschlecht
Männlich 594 (37,4 %)
Weiblich 397 (25 ,0 %)
Männlich und weiblic h (meist Eltern geme insam) 486 (30,6 %)
Unbekannt / keine Angabe 113 ( 7,1 %)
Männer wenden deutlich me hr Gewalt (als Erziehungsmittel ?) als Frauen an, psychische Misshand-
lung und Vernachlässigung wird in gut der Hälfte der Fälle von beiden Elternteilen gemeinsam began-
gen. Beim sexuellen Missbrauch liegt der Anteil der männlichen Täter – wie in den letzten Jahren – bei
knapp > 80 % .
Täterin / Täter: Alter
Älter als 18 Jahre 1’310 (82,4 %)
Jüng er als 18 Jahre 194 (12,2 %)
Jünger und äl ter als 18 J ahr e (mehrere Täter) 12 ( 0,8 %)
Unbekanntes Alter / keine Angabe 74 ( 4,7 %)
Die jugendlichen Täter sind vor allem beim sexuellen Missbrauch mit 23 % und bei der körperlichen
Misshandlung mit 20,5 % stärker vertreten , in den übrigen Misshandlungsformen spielen sie keine o-
der nur eine sehr geringe Rolle.
Meldung an die Kindes – und Erwachsenenschutzbehörde
Durch eine andere Stelle bereits vorgenommen 450 (28,3 %)
Durch die Kinderschutzgruppe gemacht 264 (16,6 %)
Durch die Kinderschutzgruppe empfohlen 87 ( 5,5 %)
Meldung an die Strafverfolgungsbehörde
Durch eine andere Stelle bereits vorgenommen 165 (10,4 %)
Durch die Kinderschutzgruppe gemacht 69 ( 4,3 %)
Durch die Kind erschutzgruppe empfohlen 79 ( 5,0 %)
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Mehr als jedes 4. Kind, welches irgendeine Form einer Misshandlung erleidet, ist wegen dieser oder
einer anderen Problematik bereits vor der Misshandlung der Kindes – und Erwachsenenschutzbehörde
bekannt. Die hohe Anzahl der Fälle, wo irgendeine Behörde eingeschaltet wird, unterstreicht die W ich-
tigkeit einer engen und guten Zusammenarbeit bei diesen oft schwierigen Fällen.
Zusammenfassung
Auch im Jahre 2020 wurde eine unverändert hohe Anzahl von misshande lten Kindern registriert.
Insgesamt wurden drei Kinder erfasst, die an den Folgen der Kindsmisshandlung verstorben sind.
Alle drei Kinder waren jünger als ein Jahr alt.
Das Anwenden von körperliche r Gewalt als Erziehungsinstrument ist immer noch weit verb reitet,
noch mehr bei Männern als bei Frauen. Präventive Massnahmen oder Kampagnen in diesem Be-
reich wären deshalb sehr wünschenswert.
Eine Zunahme der Fälle von psychischer Misshandlung (oder auch anderer Misshandlung) durch
negative Einflüsse im Rahmen der Corona -Pandemie liess sich in unserer statistischen Erfassung
nicht nachweisen.
Für die Fachgruppe Kinderschutz
Dr. med. Markus Wopmann
Facharzt für Kinder – und Jugendmedizin
Kinderschutzgruppe Baden
Kantonsspital
5404 Baden
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Markus Wopmann , Klinik für Kinder und Jugendliche, Kantonsspital Baden