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Editorial

Die Kinder- und Jugendmedizin war wie andere Fachgebiete während der letzten Jahre geprägt von einer raschen Weiterentwicklung. In der Grundlagenforschung, Diagnostik und Therapie wurden bahnbrechende Fortschritte erreicht – neue Erkrankungen und Syndrome wurden beschrieben, neue Untersuchungsmethoden und Therapien entwickelt; einige bislang lebenslimitierende Erkrankungen können durch neue Therapien mittlerweile gar geheilt werden. Unser Beruf wird dadurch komplexer und in vieler Hinsicht auch «schneller»; die Spezialisierung wird auch in naher Zukunft weiter zunehmen. Diese rasche Entwicklung wird auch zur Herausforderung für die Weiter- und Fortbildung – für den klinischen Alltag relevante Neuerungen müssen zeitnahe vermittelt und umgesetzt werden.

Unter diesem Aspekt wurde am letztjährigen Jahreskongresses von pädiatrie schweiz ein neues Präsentationsformat lanciert: «Neues aus Schwerpunkten» stellte wichtige Neuerungen aus ausgewählten Fachgebieten in Form von Kurzreferaten vor. Die Inhalte einzelner Präsentationen werden den Leser:innen von Paediatrica nun auch in diesem Themenheft zur Verfügung gestellt.

Im ersten Beitrag berichten Géraldine Blanchard-Rohner und Johannes Trück über die Auswirkungen der frühzeitigen Diagnose und Behandlung von Kindern mit schwerem kombiniertem Immundefekt und weiterer angeborener Immundefekte, welche seit 2019 im Neugeborenenscreening festgestellt werden können. Weiterhin geben sie einen kurzen Überblick zur Vielzahl im Screening nicht erfassbarer Immundefekte, über mögliche klinische Präsentationen und Hinweise zur Diagnostik und Weiterabklärung bis hin zur komplexen interdisziplinären Betreuung betroffener Kinder.

Neue Therapien haben die Prognose von Patient:innen mit spinaler Muskelatrophie (SMA) insbesondere bei möglichst frühem Therapiebeginn drastisch verändert; die SMA wird deshalb ab diesem Frühjahr neu im Schweizerischen Neugeborenenscreening aufgenommen. Anhand weiterer Erkrankungen zeigt Sandrine Cornaz Buros zusätzlich den Wandel der Neuropädiatrie während der letzten Jahre – von einer mehrheitlich diagnostischen Disziplin zu einem Gebiet mit zunehmender Zahl komplexer und spezifischer Therapien. Erfahren Sie mehr über MEK-Pathway-Inhibitoren bei Neurofibromatose, Anti-CGRP-Antikörper und CGRP-Inhibitoren bei Migräne sowie über personalisierte Therapien basierend auf molekulargenetischer Diagnostik bei Patient:innen mit Anfallsleiden.

Unter dem Titel «Weniger ist mehr» beschreibt Michelle Seiler in ihrem Beitrag zur Notfallmedizin neue Wege in der Behandlung von Verletzungen. Anhand von drei prospektiven, kontrollierten und mit einer Ausnahme randomisierten Studien aus dem Kinderspital Zürich wird aufgezeigt, dass auch weniger aufwändige und für die Patient:innen weniger belastende Behandlungen mindestens gleich gute Resultate im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie erzielen. Diese Studien, welche auch internationale Beachtung gefunden haben, betreffen häufige Verletzungen wie Vorderarmfrakturen, Quetschtraumata der Finger mit Avulsionsverletzung des Nagels sowie Rissquetschwunden im Gesicht.

Tatjana Welzel und Koautor:in geben eine Übersicht zur systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis. Die neuen Erkenntnisse der Pathophysiologie sowie die Verfügbarkeit von Zytokin-Inhibitoren haben die Behandlung und damit die Prognose dieser komplexen Erkrankung deutlich verbessert. Die rasche Diagnose und ein frühzeitiger, gezielter Einsatz dieser Wirkstoffe sind für den Verlauf bedeutsam (Hypothese des «window of opportunity»). Der Beitrag gibt ein prägnantes update zum aktuellen Stand des Wissens.

Die X-chromosomale Hypophosphatämie (XLH) ist eine seltene, genetische Erkrankung des Knochenstoffwechsels. Alexandra Goischke fasst die wesentlichen Aspekte der Pathophysiologie, Klinik sowie der konventionellen als auch der neu verfügbaren Antikörpertherapie zusammen. Anhand der XLH, mit ihrer Vielzahl klinischer Manifestationen am Skelett- und weiteren Organsystemen, zeigt die Autorin die Bedeutung des interdisziplinären Managements mit der zentralen Rolle der Kinder- und Hausarzt:in auf.

Der letzte Beitrag gibt eine Übersicht zur oralen Immuntherapie bei Nahrungsmittelallergien mit praktischen Empfehlungen für das Patientenmanagement in der Schweiz. Anstelle eines Einzelbeitrages durch den Referenten zu diesem Thema am Kongress, stellt dieser Beitrag eine Konsensempfehlung der Arbeitsgruppe Pädiatrische Immunologie / Allergologie (PIA-CH) dar.

Im Namen der Redaktionskommission Paediatrica wünsche ich Ihnen eine interessante und anregende Lektüre

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Korrespondenz:
Autoren/Autorinnen
Dr. med.  Rodo von Vigier Chefarzt Pädiatrie, Kinderklinik Wildermeth, Spitalzentrum, Biel