Unfallbedingte Wunden sind eine häufige Ursache für pädiatrische Notfallkonsultationen. Dies bestätigte eine prospektive Studie der Notfallstation des Genfer Kinderspitals: 21% der Patienten wiesen eine oder mehrere offene Wunden auf.
16 Formation continue / Fortbildung Vol. 14 No. 5 2003
1. Einleitung
Unfallbedingte Wunden sind eine häufige
Ursache für pädiatrische Notfallkonsulta-
tionen. Dies bestätigte eine prospektive
Studie der Notfallstation des Genfer Kin-
derspitals: 21% der Patienten wiesen eine
oder mehrere of fene Wunden auf
1). Ziele
der chirurgischen Wundbehandlung sind In-
fektionsprävention, Wiederherstellung der
Hautkontinuität und ein gutes ästhetisches
Resultat. Dabei sollte man dem Patienten
Unbehagen und Schmer zen möglichst er-
sparen.
2. Allgemeines
Eine Wunde ist eine Verletzung, welche
durch, mechanische Einwirkung entsteht,
wenn die Resistenz des betrof fenen Or-
gans über trof fen wird. Eine mechanische
Traumatisierung der Haut führ t meistens zu
einer of fenen Wunde, die zur Eingangs-
pfor te infektiöser Erreger werden kann.
Ein primärer Wundverschluss er folgt, wenn
eine saubere Wunde innerhalb von maxi-
mal 6 Stunden verschlossen werden
kann. Ist eine Wunde verschmutzt oder be-
stehen Gewebeverluste, sollte diese of fen
gelassen werden. Die sekundäre Wund-
heilung er folgt durch Bildung von Granu-
lationsgewebe, Wundrandkontraktion und
Epithelisation. Beim ver zöger ten primären
Wundverschluss wird eine infizier te Wun-
de primär of fen behandelt. Nach Abklingen
der Infektzeichen inner t Tagen wird die
Wunde sekundär verschlossen
2).
Drei Mechanismen tragen zur Wundheilung
der Haut bei: die Epithelisation, die Wund-
kontraktion und die Reifungsphase. Derkomplikationslose Heilungsprozess er-
folgt in drei Zeitabschnitten:
• Eine Entzündungs- und Exsudations-
phase tritt in den ersten 24 bis 48
Stunden nach der Hautschädigung
auf: Dabei strömen Entzündungszel-
len in die Wunde ein und eine Epithe-
lisation der Wunde er fogt innerhalb
ca. 48 Stunden.
• In der Proliferationsphase (3 bis 4
Wochen) kommt es zum Einwachsen
von Kapillaren, zum Einwandern von
Kollagen synthetisierenden Fibroblas-
ten und zur Wundkontraktion unter
Einwirkung von Myofibroblasten.
• Mit der Organisationsphase (> 4 Wo-
chen) kommt es zu einer progressi-
ven Abnahme der Aktivität der einge-
wander ten Zellen und zur Umgestal-
tung der Narbe.Die Abbildung 1zeigt, dass die Wider-
standskraft des Wundgewebes, im Ver-
gleich zur normalen Haut, während meh-
reren Wochen verminder t ist und nach etwa
6 Wochen erst 50% der normalen Resis-
tenz erreicht. Es ist darum wichtig, eine
frühzeitige Überbeanspruchung zu ver-
meiden, welche zu einer unschönen oder
gar klaf fenden Wunde führen könnte.
3. Behandlung
1. Kontrolle des Tetanus-Impfstatus des
Patienten. Beim Geimpften: Verabrei-
chung einer Wiederholungsdosis bei
Bedar f. Beim Ungeimpften: aktive
Immunisierung, eventuell Verabrei-
chung von Antitoxin.
2. Ausgiebige Wundreinigung («dilution
is the solution to pollution»). Verabrei-
chen eines Antibiotikums ersetzt
Die Wundbehandlung beim Kind
La version française de cet ar ticle est parue dans Paediatrica (Vol. 14, No. 4, 2003, p. 38–43)
Vergleich der Geweberesistenz von unverletzter Haut (= 100%) und einer Wunde ein Monat (~25%), 6 Wochen (~50%)
und 2 Monate (~80%) nach Verletzung.
Abbildung 1:Geweberesistenz Wunden
17 Formation continue / Fortbildung Vol. 14 No. 5 2003
nicht die gründliche Reinigung der
Haut.
3. Ausschliessen von Begleitverletzung.
Dies beinhaltet die Überprüfung der
Motorik, Sensibilität und Durchblu-
tung von Extremitäten distal einer
Wunde vor dem Verabreichen einer
Lokalanästhesie. Wird ein Fremdkör-
per, oder eine tiefe Wunde vermutet,
die den Knochen betref fen könnte,
unbedingt röntgen.
4. Desinfizieren der Wundränder und der
benachbar ten Haut mit einer wasser-
löslichen, iodier ten Lösung (Beta-
dine
®)). Bei Jodallergie wasserlösliches
Chlorhexidin ver wenden (Hibitane
®)).
5. Verabreichen einer Lokalanästhesie
(siehe unten) unter Vermeidung einer
intravaskulären Injektion.
6. Untersuchung der Wunde nach even-
tuellen Begleitverletzungen der Gefäs-
se, Ner ven, Sehnen und nach Fremd-
körpern unter sorgfältiger Wundspü-
lung mit physiologischer Kochsalz-
lösung. Abtragen des nekrotischen
Gewebes, Zurechtlegen der Wundrän-
der (wenigstens im Gesicht und anden Händen) und Stillen von Blutun-
gen.
7. Primäres Verschliessen der Wunde
nur bei Konsultation inner t 6 Stunden
nach dem Unfall. Diese Zeitlimite
gilt nicht für Wunden im Gesichtsbe-
reich. Aufgrund der ausgezeichneten,
Durchblutung der Gesichtshaut und
um unschöne Narben zu vermeiden,
dür fen sie auch noch nach dieser
Frist primär behandelt werden.
Unter Spannung stehende Wunden
mittels subkutaner Rückwär tsstiche
angegangen werden, um eine
Er weiterung der Narbe nach der Fa-
denentfernung vermeiden; Vicr yl
®
(Polyglactine) genügt normaler weise;
bei an Gelenke angrenzenden Verlet-
zungen oder Wunden unter grösserer
Spannung sollte langsamer resorbier-
bares Fadenmaterial Maxon
®(Polygly-
conate) oder PDS
®(Polydioxalone)
ver wendet werden. Die Wundränder
müssen mittels subkutaner Stiche
ohne Spannung adaptier t werden, um
dann einen Hautverschluss mit einfa-
chen Stichen oder mit einer for tlau-
fenden Naht (Saumnaht) zu ermög-
lichen. Eine Matratzenstichnaht (Do-
nati oder Donati/Allgöwer) ist zu
vermeiden, da sie unästhetische
Hautmarken zurücklässt. Die empfoh-
lenen Stärken der Nähfäden, einge-teilt in verschiedene Körperregionen,
sind in Tabelle 1zusammengefasst.
8. Schützen der Wunden durch feuchtes
Milieu: Im Gesicht Ver wenden einer
antibiotischen Salbe (zum Beispiel
Fucidine
®), ansonsten Applikation ei-
nes Verbandes mit einem fettigen
oder nicht klebenden Verbandsstof f
(Adaptic
®). Für die Wunden der Hand
oder in Gelenknähe ist eine Ruhig-
stellung in einer Schiene empfohlen.
Insbesondere Wunden im Gesichtsbe-
reich sollten von den Eltern nach An-
leitung regelmässig mit Wasser und
milder Seife gereinigt werden, um die
Bildung einer Kruste, welche die Epi-
thelisationszeit verlänger t
3)und ein we-
niger befriedigendes ästhetisches Re-
sultat her vorruft, zu vermeiden. Man
mussdie Eltern instruieren, dass im
Falle einer Rötung, Schwellung, Schmer-
zen oder eitriger Sekretion unbedingt
der Ar zt konsultier t werden muss.
9. Nach der Fadenentfernung (siehe Ta –
belle 2für die unterschiedliche Dau-
er) müssen die Eltern angeleitet wer-
den, die Narbe ab der sechsten Wo-
che in Längsrichtung zu massieren
und diese während 12 bis 18 Mona-
ten vor direkter Sonneneinstrahlung
zu schützen, z.B. mittels Kleidung,
Sonnencrème (Schutzfaktor > 16)
und durch das Tragen eines Hutes
Lokalisation Stärke
Kopfhaut 4–0 oder 5–0
Gesicht 5–0 bis 7–0
Stamm 4–0 oder 5–0
Arme 4–0 oder 5–0
Hände 5–0 oder 6–0
Beine 4–0 oder 5–0
Faszien/Galea/
tiefere Schichten/
kleine Gefässe (re-
sorbierbarer Faden) 3–0 bis 5-0
Tabelle 1:Nahtmaterial: Empfoh-
lene Stärken nach Körperregion
Lokalisation Dauer
Gesicht 5 Tage, oder mind. 3 Tage und dann Steri-Strip
®
Hände 5 bis 7 Tage
Gelenke-Umgebung 7 bis 10 Tage
Andere Wunden Ungefähr 7 Tage, dann evtl. Steri-Strip
®
Fortlaufende Naht 10 bis 14 Tage (unter Steri-Strip ®)
Tabelle 2:Belassungszeit der Nahtstiche
18 Formation continue / Fortbildung Vol. 14 No. 5 2003
bei Narben im Gesicht. Die Eltern
müssen wissen, dass eine Narbe
nach 6 bis 8 Wochen progressiv röter
und dicker werden kann und dass sie
ihr endgültiges Aussehen erst ca. 18
Monate nach dem Unfall erreicht ha-
ben wird. Der Ar zt sollte konsultier t
werden, wenn die Narbenbildung
breit wird. Hyper trophie oder Keloid-
bildung wird mit kompressivem Ver-
band oder lokaler Anwendung von
Silikon behandelt; in manchen Fällen
kann auch eine Injektion von Kor tiko-
steroiden helfen. Im Allgemeinen
wird eine korrektive Chirurgie für eine
unschöne Narbe nicht vor 18 Mona-
ten nach der Verletzung in Betracht
gezogen.
4. Anästhesie
Die Behandlung der meisten Wunden er-
forder t eine Form von Anästhesie. Diese
kann in Form einer Lokalanästhesie oder
einer Ober flächenanästhesie er folgen
und könnte eine zusätzliche Sedierung er-
fordern.
4.1 Lokalanästhesie
Das Lokalanästhetikum der ersten Wahl für
Wundbehandlungen ist Lidocain, ein
schnell wirkendes Amid mit einer Wir-
kungszeit von ungefähr 30 bis 60 Minuten.
Die Maximaldosis ist 5 mg/kg (7 mg/kg,
falls eine Lösung mit Adrenalin ver wendet
wird)
4). Wegen schnellerer Resorption ist
die Maximaldosis von Lidocain für eine
ober flächliche Anästhesie einer Schleim-
haut nur 3 mg/kg (5 mg/kg mit einer Adre-
nalinlösung). Es ist ausserdem empfohlen,
diese Dosis bei Kindern unter zwei Jahrenum 30% zu reduzieren. Die bevor zugte Lö-
sung beim Kind ist Lidocain 1% (10
mg/ml).
Die Lösungen, welche ein Lokalanästhe-
tikum und Adrenalin beinhalten, bewirken
eine Gefässverengung, wodurch die Halb-
wer tszeit des Lokalanästhetikums verlän-
ger t wird und dadurch eine höhere Maxi-
maldosis ver wendet werden kann. Die ge-
fässverengende Wirkung reduzier t die
Blutungsneigung, womit die Untersuchung
der Wunde erleichter t wird. Adrenalinge-
mische sind allerdings wegen möglicher
Nekrosegefahr bei Anästhesien von Ge-
bieten mit Endzirkulation zu vermeiden
(Nase, Ohrläppchen, Finger, Zehen, Penis).
Die Maximaldosis von Adrenalin ist
5 µg/kg. Im Falle einer Lidocainallergie
kann man in Betracht ziehen, ein Lokal-
anästhetikum vom Typ Ether zu ver wen-
den, wie zum Beispiel Chlorprocain, mit
einer Maximaldosis von 8 mg/kg
5). Man
muss wissen, dass die meisten Allergien,
welche den Lokalanästhetika zugeschrie-
ben werden, eigentlich eine Allergie auf
Methylparabenum (E 218) sind, welches
als Konser vierungsmittel in Mehr fachge-
brauchflaschen enthalten ist. Man könnte
daher als Alternative «Lidocain Cardio» ge-
brauchen, welches kein Konser vierungs-
mittel enthält.
Verschiedene Techniken, welche die Un-
annehmlichkeit der Anästhetikuminjektion
vermindern, wurden beschrieben
6),7): eine In-
jektion von den Wundrändern her vermeidet
das Durchstechen der Haut und damit zu-
sätzliche Schmer zen; das Einspritzen des
Anästhetikums in die Subcutis anstelle des
epidermalen Gewebes vermeidet dasschmer zhafte Spannungsgefühl der weniger
elastischen Epidermis. Andere Techniken
zur Schmer zlinderung beinhalten: Injektion
von kleinen Mengen mit Hilfe einer sehr fei-
nen Nadel (>25 GA, wenn möglich 30 GA);
Benutzen von körper warmen Lösungen;
Hinzufügen von Bikarbonat 8,4% zum Lido-
cain, um die Säure zu binden (1 ml Bikar-
bonat per 9 ml Lidocain; allerdings verzö-
ger t das Hinzufügen von Bikarbonat den
Wirkungsbeginn der Anästhesie)
5).
Schlussendlich, ein Punkt, der oft verges-
sen wird, muss man ungefähr 10 Minuten
war ten, bevor die Lokalanästhesie zu wir-
ken beginnt.
4.2 Ober flächenanästhesie
Eine Ober flächenanästhesie kann manch-
mal einer Lokalanästhesie vorausgehen
oder sie kann diese gelegentlich sogar er-
setzen. Das einzige kommer zielle Produkt,
das zur zeit auf dem Schweizer Markt er-
hältlich ist, ist die EMLA
®-Crème, ein eu-
tektisches Gemisch von Lidocain und Pri-
locain (25 mg von beiden Stof fen per 1 g
Crème). Es sollte nur auf intakte Haut auf-
getragen werden, da bei starker Resorption
das Risiko einer Methämoglobinämie be-
steht. Zudem sollte EMLA
® nicht in Augen-
nähe ver wendet werden wegen dem Risiko
einer Hornhautverletzung im Falle eines
Kontaktes mit dem Produkt. Verabreicht auf
gesunder Haut und unter einem Okklusiv-
verband während 60 Minuten, verschaf ft
EMLA eine Anästhesie von 3 mm Tiefe, die
30 Minuten andauer t. Eine Anwendung von
90 Minuten erreicht 5 mm Tiefe und 60 Mi-
nuten Wirkung. Die empfohlene Höchst-
dosierung ist 0,2 g/kg
8). Bei Kindern von 5
bis 18 Jahren wurde dieses Produkt für den
Verschluss von Extremitätenwunden kleiner
19 Formation continue / Fortbildung Vol. 14 No. 5 2003
als 5 cm ver wendet (Dosierung von 0,15
g/kg, mit Maximum 5 g); allerdings benö-
tigten 45% der Patienten eine zusätzliche
Lokalanästhesie
9).
Speziell gemischte Ober flächenpräparate
können auch für den Verschluss von Haut-
wunden ver wendet werden. In der Schweiz
bereitet das zentrale Institut der Walliser
Spitäler den «AC Gel» vor, welcher 5,8% Co-
cain und 1:1000 Adrenalin enthält und in
sterilen 2 ml-Fer tigspritzen geliefer t wird. In
Belgien liefer t die Apotheke der Universi-
tätskliniken Saint-Luc einen Lidocain/Adre-
nalin Gel (4% Lidocain, 1:2000), welcher
nach 15 Minuten Anwendung eine ausrei-
chende Anästhesie bewirkt, um eine Wun-
de zu nähen. In Nordamerika sind ähnliche
Ober flächenpräparate im Gebrauch: TAC
(0,5% Tetracain, 1:2000 Adrenalin,
4–11,8% Cocain) und LET (4% Lidocain,
1:1000 Adrenalin, 0,5% Tetracain), welche
es erlauben, eine Lokalanästhesie von 30
Minuten auszuführen
10).
Aufgrund einer hohen Adrenalinkonzentra-
tion sollten all diese Präparate nicht in Re-
gionen mit Endzirkulation angewendet wer-
den; ausserdem stellen die Produkte, wel-
che Cocain enthalten, ein Aufbewahr-
ungsproblem (Narkosemittelgesetz) und sie
haben beschriebene Fälle von Krämpfen
und Tod verursacht
11),12) .
Ein sichereres kommer zielles Produkt wird
wahrscheinlich bald in der Schweiz erhält-
lich sein: es handelt sich um Ametop
®, wel-
ches seit mehreren Jahren in Grossbri-
tannien und in Nordamerika ver wendet
wird; es enthält Amethocaine 4% (Tetracain-
HCL), welches nach einer Anwendung von
30 Minuten eine vierstündige Anästhesie
her vorruft
10).4.3 Sedierung
Die einfachste Methode, ein unruhiges
Kind zu beruhigen, ist nicht medikamentös:
die Anwesenheit eines Elternteils während
der Behandlung ermöglichen, einen guten
Kontakt mit dem Kinde herstellen, im Vor-
aus erklären, was gemacht werden wird, die
Nadel oder andere chirurgische Instru-
mente, welche dem Kind Angst machen
könnten, nicht zeigen. Die Ablenkung mit
Musik (wenn möglich mit Kopfhörern), Vi-
deofilmen, kleinen Geschichten oder Be-
schäftigungen wie zum Beispiel Singen
bringt oft Er folg. Wenn ein Anxiolytikum
oder eine medikamentöse Sedierung trotz-
dem notwendig sein sollten, ist Midazolam
das primär angewandte Produkt für einfa-
che Inter ventionen
13). Seine kur ze Halb-
wer tszeit (100 Min.), seine verschiedenen
Anwendungsmöglichkeiten (PO/PR/–IN/IV/
IM), das Vorhandensein eines Antagonisten
(Flumazenil 0,1 mg/kg IV) sind einige Ar-
gumente zu seinen Gunsten. Die empfoh-
lene Dosierung variier t je nach klinischer
Über wachungsmöglichkeit des Patienten;
0,3 mg/kg PO gilt als ausreichend, und er-
laubt, dass das Kind schnell wieder nach
Hause entlassen werden kann
14); man soll-
te eine Gesamtdosis von 15 mg nicht über-
schreiten.
Nach Sedierung kann der Patient unter Be-
gleitung eines Er wachsenen nach Hause
zurückkehren, wenn er bezüglich Her z-Kreis-
lauf und Atmung stabil ist und sein Wach-
heitszustand ähnlich demjenigen bei An-
kunft ist.
4.4 Analgesie
Eine Paracetamol-Dosis von 40 mg/kg
15)
PR oder 20 mg/kg PO (Maximum 1000 mg)
vor Behandlungsstar t ermöglicht eine gutepostoperative Analgesie. Paracetamol kann
alle 4 Stunden 10–15 mg/kg PO oder 20
mg/kg PR weiter verordnet werden (Maxi-
mum 100 mg/kg/Tag oder 4000 mg/
Tag)
16).
5. Fadenmaterial
Auf dem Markt sind zur Zeit nur syntheti-
sche Nähfaden erhältlich, um infektiöse
und allergische Probleme zu vermeiden.
Für Hautnähte sind nicht resorbierbare
Monofilamente ideal (Nylon, Prolene
®,
Polypropylene), da sie weniger Gewebere-
aktionen her vorrufen. Für Nähte in tieferen
Schichten, der Galea, oder der kleinen Ge-
fässe, bietet dagegen ein geflochtener, re-
sorbierbarer Faden (zum Beispiel Vicr yl
®)
den Vor teil einer besseren Handhabung
aufgrund seiner hohen Flexibilität. Die emp-
fohlenen Stärken des Fadenmaterials, für
verschiedene Körperregionen, sind in Ta –
belle 1aufgeführ t.
6. Haut-Klebestoffe
Es handelt sich um von Cyanoacylaten ab-
geleitete Klebestof fe (crazy glues). In der
Schweiz sind zwei Sor ten auf dem Markt:
Butyl Cyanoacr ylate (Histoacr yl
®) und
2–Octyl Cyanoacr ylate (Dermabond
®).
2–Octyl Cyanoacr ylate ist flexibler und vier-
mal geweberesistenter als Butyl Cyano-
acr ylate. 2–Octyl Cyanoacr ylate hat jedoch
eine Resistenz, welche knapp unter der-
jenigen einer 5–0-Naht liegt. Es sollte da-
her nicht an Körperstellen ver wendet wer-
den, welche normaler weise eine Faden-
stärke von mindestens 4–0 verlangen
17}.
Hautklebestof fe wurden in mehreren Stu-
dien als akzeptable Alternative zu Nähten
20 Formation continue / Fortbildung Vol. 14 No. 5 2003
angesehen. Ihr Gebrauch ist relativ schnell
und schmer zlos für den Patienten. Das
Komplikationsrisiko ist jedoch bedeutend
höher im Vergleich zum Hauteverschluss per
Naht. Es besteht ein kleines Risiko einer
Wunddehiszenz
18}. Eine prospektive Studie,
welche den chirurgischen Wundverschluss
(nach Excisionen von Hautverletzungen) per
Klebestof f (Dermabond
®) oder per Haut-
naht verglichen hat, zeigte ebenfalls ein
besseres ästhetisches Resultat beim
Wundeverschluss per Naht
17}. Kontraindi-
kationen zur Anwendung von Hautklebe-
stof fen sind: potenziell kontaminier te
oder infizier te Wunden; Wunden in einem
Schleimhautbereich oder Haut-/Schleim-
hautbereich (Lippe); Wunden, die wahrschein-
lich Körper flüssigkeiten ausgesetzt sind;
Wunden, die sich in einem stark behaar ten
Körperbereich befinden. Wunden unter
Spannung oder über Gelenken sollten wäh-
rend des Heilungsprozesses zusätzlich mit
einer Schiene ruhiggestellt werden, um das
Risiko einer Wunddehiszenz zu verringern.
Die Anwendung der zwei Klebestof fe ist
grundsätzlich gleich. Bei Ver wendung im
Gesicht müssen Vorsichtsmassnahmen ge-
trof fen werden, damit der Klebestof f nicht
mit den Augen in Kontakt kommen kann.
Frisch verabreicht, ist der Klebestof f sehr
flüssig. Der Patient muss deshalb so ge-
lager t werden, dass die Wunde horizontal
zu liegen kommt, um ein Ausfliessen des
Klebestof fs zu vermeiden. Die Wunde
muss gesäuber t und abgetragen sein, und
dar f nicht bluten oder feucht sein die Wund-
ränder müssen ohne Spannung anein-
andergelegt werden können; gegebenen-
falls ist es nötig, resorbierbare, subkutane
Stiche oder Hautstiche zusätzlich zum Kle-bestof f anzuwenden (der Hersteller emp-
fiehlt Histoacr yl
®eine maximale Wundlänge
von 3 cm, um ohne Naht behandeln zu kön-
nen). Sind die Wundränder sicher fixier t,
trägt man den Klebstof f in dünnen Schich-
ten auf (mindestens drei Schichten für den
Dermabond
®), sich von einem Teil der Wun-
de zum andern halbzentimeter weise aus-
dehnend, während man zwischen dem Auf-
tragen der Schichten 10 bis 15 Sekunden
für die Polymerisation erlaubt.
Klebestof ftropfen sind zu vermeiden, da ihre
Polymerisation eine exotherme Reaktion
auslöst, welche schmer zhaft sein kann,
wenn sie sehr lokalisier t ist. Man muss zu-
dem vermeiden, dass der Klebestof f in die
Wunde eindringt, da dies die Wundheilung
behinder t und eine Fremdkörperreaktion
auslösen kann. Die beschriebenen Leime
kleben sehr stark an allem, inklusive der
Haut, Handschuhen und chirurgischen In-
strumenten. Im Falle von uner wünschtem
Zusammenkleben von zwei intakten Haut-
ober flächen kann mittels Azeton oder Pa-
raf finöl die Trennung der Gewebsteile an-
gestrebt werden. Die Anwendung von
Wasser, Seife, physiologischer Kochsalz-
lösung, Jodlösung oder Chlorhexidine ist
hingegen nutzlos. Der Klebestof f bildet eine
antibakterielle Barriere (in beiden Rich-
tungen!) und ermöglicht ein feuchtes Milieu,
welches die Wundheilung förder t. Nach der
Anwendung sollte man an der behandelten
Wundfläche nicht reiben und sie nicht in
Wasser tränken. Man muss den Eltern ra-
ten, den Ar zt aufzusuchen, falls eine Rö-
tung, Schwellung, Schmer zen oder eitrige
Sekretion auftreten. Der Klebestof f wird
inner t 5 bis 10 Tagen mit der physiologi-
schen Hautschuppung weggehen. 7. Steri-Strip
®
Es handelt sich um Klebestreifen, welche
das Annähern von Wundrändern erlaubt,
entweder alleine oder in Kombination mit
einfachen Stichen oder einer for tlaufenden
Naht. Es existieren verschiedene Breiten
zur Anwendung an verschiedenen Körper-
teilen: Die breitesten Streifen (12×100 mm,
blaue Verpackung, Code R 1547) werden
für die Wundbehandlung an Stamm und Ex-
tremitäten benötigt. Die mittleren (6×100
mm, orange Verpackung, Code R 1546)
eignen sich für Hand- und Fussverletzungen
sowie gelegentlich für den Gesichtsbereich.
Die Kleinsten (3×75 mm, braune Verpack-
ung, Code R 1540) sind ideal für Verlet-
zungen im Gesicht und manchmal am Fin-
ger. Klebestreifen sollten in ihrer ganzen
Länge benutzt werden, um die Spannung
besser zu ver teilen. Vor dem Gebrauch soll-
te man die Haut mit Äther entfetten. Falls
die Steri-Strip
®lange halten müssen, kann
man vorher Benjoin-Tinktur auf die Wun-
dränder geben. Beim Kleben der Steri-Strip
®
sollte die Wundlinie in rechtem Winkel ge-
kreuzt werden, ohne zu viel Zug anzuwen-
den. Zu viel Zug kann Phlyktene unter den
Steri-Strip
®auslösen. Um Finger und Zehen
sollten Steri-Strip
®nie zirkulär angewendet
werden, um die distale Durchblutung nicht
zu gefährden. Man muss den Eltern emp-
fehlen, die Steri-Strip
®nicht nass werden
zu lassen und sie nicht vor zeitig abzulösen.
Sollten Streifen in einer geöf fneten Ver-
packung übrig bleiben, können diese der
Familie mitgegeben werden, um losgelöste
Streifen zu ersetzen. Die Steri-Strip
®werden
sich nach und nach ablösen vom Moment
an (nach einer Woche bis zehn Tagen), in-
dem man dem Kind erlaubt, diese nass zu
21 Formation continue / Fortbildung Vol. 14 No. 5 2003
machen; wenn man sie vorher lösen will,
wird das durch die Anwendung von Alko-
hol/Äther oder medizinischem Benzin auf
dem Streifen erleichter t. Danach er fasst
man eine Seite des Streifens mit einer
anatomischen Pinzette und zieht ihn in
Richtung der Wunde ab, während man die
gleiche Prozedur von der andern Seite der
Wunde her vollzieht.
8. Spezielle Fälle
8.1 Wunden im Gesicht
Aufgrund der ausgezeichneten Durchblu-
tung dieser Region können sogar nach ei-
ner Frist von 6 Stunden, nach vorheriger
gründlicher Reinigung, genäht werden um
unschöne Narben zu vermeiden. Man soll-
te nie die Augenbrauen rasieren, da ihr
Nachwachsen sehr langsam vor sich
geht. Nach einer Lippenverletzung müssen
die Ränder des Lippenrots speziell sorg-
fältig adaptier t werden, da Unregelmäs-
sigkeiten besonders gut sichtbar bleiben.
8.2 Wunden im Mund
…sollten, falls notwendig, mit einem ge-
flochtenen, resorbierbaren Faden (zum Bei-
spiel Vicr yl 4–0) genäht werden. Resor-
bierbare Monofilamente sind wegen ihrer
Starrheit zu vermeiden. Verletzungen der
Mundschleimhaut er fordern normaler-
weise keine Naht, solange sie nicht zu lang
sind oder zu weit klaf fen. Verletzungen der
Zunge benötigen eine Naht, wenn sie die
Spitze in der sagittalen Ebene miteinbe-
ziehen (gespaltene Zunge), oder wenn sie
auf transveraler Ebene mehr als einen Drit-
tel der Breite der Zunge umfassen. Man
muss die Eltern informieren, dass die Bil-
dung von Granulomen auf den Stichenmöglich ist. Im Allgemeinen ist für die Be-
handlung von solchen Verletzungen eine
Allgemeinnarkose notwendig.
8.3 Bisse
Man muss die Wunde sorgfältig untersu-
chen, ausgiebig waschen und die Ränder
des Defektes ausschneiden. Nach Mög-
lichkeit die Wunde of fen lassen oder sie
mit einem feuchten Verband und eventuell
einer Drainage (Penrose), welche mit ei-
nem Faden fixier t ist, behandeln. Im Falle
einer grossen Wunde sollten temporäre Sti-
che platzier t werden, welche nach drei bis
fünf Tagen angezogen werden. Wenn eine
tiefe Bisswunde zum Zeitpunkt der Kon-
sultation älter als acht Stunden ist, sollte
man an der tiefsten Stelle der Wunde ei-
nen Abstrich für ein Grampräparat und eine
Kultur machen. Je nach Lokalisation ist
eine Ruhigstellung per Schiene in Er wä-
gung zu ziehen. Eine prophylaktische
Antibiotikumbehandlung mit Augmentin, 45
mg/kg pro Tag, ist empfohlen
19).
Bisse im Gesicht er fordern oft eine intra-
venöse antibiotische Behandlung, eine All-
gemeinnarkose für eine Wundreinigung und
einen Hautverschluss unter Mikrodrainage.
8.4 Patienten unter Behandlung mit
Steroiden oder Immunosuppressoren
Aufgrund einer langsameren Wundheilung
ist es empfohlen, Nähfäden zu benutzen
und sie länger zu belassen, um eine Wund-
dehiszenz zu vermeiden.
Literatur
Siehe französischer Text.
Die Autoren haben keinerlei finanzielle Interessen im Zu-
sammenhang mit den im Ar tikel er wähnten Produkten und
Firmen. Sie haben keine finanzielle Unterstützung zur Ver-
fassung der Arbeit erhalten.
Giorgio La Scala, Genève
Guy Pétroz, Toronto
Übersetzung: Ursula Pétroz und Edgar Jäggi
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Giorgio C. La Scala
Clinique et Policlinique de Chirurgie Pédiatrique
Hôpital des Enfants – HUG
6, rue Willy-Donzé
1205 Genève
Tél. 022 382 33 11
gior
gio.lascala@hcuge.ch
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Giorgio La Scala