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Brückenschlag zwischen Pädiatrie und Public Health:

Sind Schulärztinnen und Schulärzte im 21. Jahrhundert anachronistische Idealisten oder Innovatoren? Ein Plädoyer für die schulärztlichen Dienste.

Schulärztliche Arbeit gestern und heute

Ein Blick auf die Geschichte der Schulärztinnen und Schulärzte (SÄ) zeigt, dass ihre Arbeit seit jeher eng mit den jeweiligen Lebensbedingungen und der gesundheitlichen Situation der Kinder, Jugendlichen, ihrer Familien und ihrem Umfeld verbunden sind. Die SÄ vernetzten sich mit Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhielten, die sich um das Kind kümmerten und sie hielten Kontakt zu Randgruppen. Der Fokus bestand darin, diejenigen aufzufangen, die zwischen die Maschen des Systems gefallen waren. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung und Prävention sollte für alle möglich sein, unabhängig vom sozialen Status, durch einen niederschwelligem, wo nötig aktiven Ansatz.

Die Unterstützung für eine gesunde Entwicklung war bereits das Leitmotiv früherer SÄ-Generationen im vergangenen Jahrhundert. Herausforderungen waren u.a. die Kontrolle von Tuberkuloseverdacht, Läusen und Flöhen, das Aufkommen von Massenimpfungen zum Schutz gegen Infektionskrankheiten, aber auch die Hygiene im Alltagsleben, ausreichende Ernährung und Vermeidung von Infektionsketten bei oft sehr engen Wohnverhältnissen der Familien. Am Hygienekongress in Genf im Jahr 1906 bemerkte ein Augenarzt: „Jede Schule solle einen Schularzt haben mit genügend Kenntnissen, um den hygienischen Lebensstil zu verbreiten“1).

Bei den heute verbesserten Lebensumständen für den größten Teil der Bevölkerung, einem schweizweit ausgebauten Krankenversicherungssystem, das den Zugang zur Gesundheitsversorgung sicher stellt, sowie einem weit verbreiteten Netz für Sozialhilfeempfänger, könnte man meinen, dass die SÄ und das involvierte Pflegepersonal mit ihrem präventiven Blick, vorbeugend aber nicht interventionell, keine Arbeit mehr hätten und durch Gesundheitskonzepte in den Schulen ersetzbar wären.

Nein, dem ist nicht so: Mehr den je stehen die SÄ und Schulgesundheitsdienste vor der Herausforderung, in einem Kollektiv diejenigen herauszufiltern, die durch die Maschen des sozialen Netzes fallen, die kaum oder keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung und Prävention finden und dementsprechend benachteiligt sind. Bekannt ist auch, dass Kinder und Jugendliche bei andauerndem Stress sich physisch und psychisch weniger gut entwickeln und weniger Resilienzen aufbauen. Man denke z.B. an Kinder mit Migrationshintergrund, an Kinder die von Armut betroffen sind, Kinder in Familien mit psychosozialen Belastungen oder Familien, die keinen oder nur wenig Kontakt zu ihrem Hausarzt haben. SÄ können dann Hinweise geben oder einen direkten Kontakt zu Praxispädiaterinnen, genauso wie zu den Schulpsychologinnen, Logopädinnen oder Sozialarbeiterinnen herstellen2).

Zwischen Bildung und Gesundheit

Die schulärztlichen Dienste stehen an der Schnittstelle zwischen Bildung und Gesundheit. SÄ haben eine „Schlüssel-Funktion“, beispielsweise in komplexen Situationen, wenn sowohl Kompetenzen in Gesundheitsfragen als auch Spezialwissen in Verbindung mit der Schule gefragt sind: Mit der zunehmenden Anzahl von Kindern mit chronischen Krankheiten kommt den SÄ bei der Mitwirkung zur Integration dieser Kinder in die Regelschule eine wichtige Rolle zu. Sie „übersetzen“ die medizinischen Bedürfnisse des Kindes für die Schule, helfen Notfallpläne zu entwickeln, unterstützende Maßnahmen einzuleiten oder auch gesundheitsspezifische Fragen für Klassenlager zu klären.  

Abbildung 1. Position des Schulärztlichen Dienstes. (Mit Erlaubnis von Dr.med. A Tschumper)

Zusammenarbeit und Vernetzung

Kinder-, Haus- und Schulärztinnen und -ärzte sind Partner für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter Wahrung des Arztgeheimnisses. Ihre Tätigkeiten sind komplementär, sie haben unterschiedliche Positionen in der Prävention und Versorgungskette. Die Schulärzte identifizieren allfällige bisher noch nicht erkannte Entwicklungsprobleme sowie Verhaltensauffälligkeiten physischer und psychischer Natur und leiten die betroffenen Schülerinnen und Schüler zu den entsprechenden Versorgern. In der Regel therapieren SÄ nicht selber3). All diese Facetten sind typisch für sozialpädiatrisches Arbeiten, das einerseits „filtern“ andererseits auch „auffangen“ möchte. Im folgenden Modell soll illustriert werden, wie die unterschiedlichen Ansatzpunkte zusammenwirken können, um individuelle Gesundheitsaspekte auch im schulischen Umfeld zu berücksichtigen.

Abbildung 2. Zusammenwirken Hausärzte – Schulärzte: Das Kind im Zentrum (Mit Erlaubnis von Dr.med. A Tschumper)

Rollen, Aufgaben und Kompetenzen der Schulärzte

Das Modell SÄ als „Gesundheitsexperten im Umfeld Schule“ wurde, angelehnt an das Modell der Rollen eines medizinischen Experten (CANmed4)) von WHO-Euro und EUSUHM10) adaptiert. Es zeigt die vielfältigen Rollen der SÄ und die dafür notwendigen Kompetenzen auf.

Tabelle 1. Rollen und Kompetenzen der Schulärztin und des Schularztes als „Gesundheitsexperten im Umfeld Schule“ (eigene Adaptation des „European Framework for quality standards in school health services and competences for school health professionals”)5)

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in der Schweiz keine eigene Spezialisierung oder Ausbildung für Schulärzte/innen, in der die in Tabelle 1 aufgeführten Kompetenzen gezielt vermittelt werden. Viele Kantone bieten eigene schulärztliche Kurse an.  Hauptamtliche schulärztliche Dienste schulen ihre neuen Mitarbeitenden meist intern und organisieren zunehmend eigene Fortbildungen. Die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften hat ein eigenes Curriculum-Konzept für Schulärzte entwickelt. Scolarmed11) organisiert jedes Jahr eine nationale Fachtagung. Tatsache ist, dass sich Schulärzte/innen in verschiedenen Disziplinen regelmässig fortbilden: in Public Health, Gesundheitsförderung und Prävention, Infektiologie, Vakzinologie, Umweltmedizin, pädiatrischen und kinderpsychiatrischen Themen v.a. Entwicklungspädiatrie und Verhaltensauffälligkeiten, sowie in Kommunikation. Einige hauptamtliche Schulärztlichen Dienste bilden die interdisziplinäre Vielfalt durch gleichzeitige Anstellung von Fachärzten/innen aus den Gebieten Public Health, Pädiatrie und Kinderpsychiatrie ab.

Welche Aufgabenfelder deckt der schulärztliche Dienst 2021 ab?

Fallbeispiel, SÄ Stadt Freiburg:

Diego, 5 Jahre, kommt mit seiner Mutter neu in die Stadt. Seine Familie stammt aus Cap Verde. Die Mutter meldet ihn in der Primarschule an und wird von der Kontaktstelle Schule-Migrantenfamilien in Freiburg der SÄ für eine erste Schuluntersuchung vorgestellt. Seine Eltern sind getrennt, der Vater lebt in London. D. hat seine ersten Jahre in England verbracht, ist dort in einer Vorschuleinrichtung gewesen. Seine Muttersprache ist portugiesisch, die Sprache des Vaters ist Englisch. D. spricht wenig klare Sätze und kommuniziert mit eigenen Worten. Er ist ein unruhiges Kind, lässt sich kaum auf einen Austausch ein, sucht immer wieder den Kontakt zur Mutter, geht nicht auf direkte Ansprache ein. Von der Mutter wird berichtet, dass er spät gesprochen hat und auch im Kontakt mit anderen Kindern Schwierigkeiten hat. Jegliche Untersuchungen oder Wahrnehmungs-Tests sind nicht durchführbar. D. zeigt eine auffallende Nervosität, innere Unruhe, die sich in Angst wandelt, sobald die SÄ auf ihn zukommt. Ein ähnliches Verhalten ist von der Lehrerin in der Schule beobachtet worden. Nach mehreren Versuchen beschließen wir die Untersuchung in 3 Monaten zu wiederholen.

An Fragen bleiben: Ist Diego wegen der fehlenden Sprache so unruhig? Bedeutet die Unruhe Angst? Besteht ein unterschwelliges entwicklungsbedingtes Problem? Wie vorgehen, wenn die Familie noch keine Kinderärztin oder Kinderarzt hat? Wer koordiniert die Situation? Was sind die Prioritäten?

An diesem Beispiel wird deutlich, dass in der heutigen Zeit die Integration von Kindern, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Umfeld, eine gewollte Priorität der Schulpolitik ist.

Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen mobilisiert hier meist weitere Gesundheitsbeauftragte aus dem schulischen Umfeld und SÄ sind dabei oft Ansprechpartner vor Ort. Ein niederschwelliger Zugang macht es auch alleinerziehenden Eltern, neuzugezogenen Familien oder auch nicht begleiteten Minderjährigen – häufig nach ihrer Ankunft auf sich selbst gestellt – möglich an einer Gesundheitskontrolle teilzunehmen. Diese Aufgaben erfüllt ein öffentlicher Dienst, wie der Schulgesundheitsdienst, indem er in komplementärer Zusammenarbeit mit den lokalen Netzwerkpartnern tätig ist.

Tabelle 2. Aufgabenverteilung und Kompetenzen von Schulgesundheitsdiensten mit regionalen Unterschieden.

Im Falle Diegos:
Nach einer Diskussion mit der Schulverwaltung wird rasch eine Besprechung einberufen, die Eindrücke geschildert, um anschließend weitere Schritte einzuleiten: Eine zusätzliche Hilfe im Unterricht, eine vertiefende Beobachtung seiner Schwierigkeiten im Klassenverband, sowie im nächsten Schritt, ein Gespräch mit der Mutter, der Schulärztin und der Direktion der Schule. Auffällig ist, dass D. zuhause wie in der Schule sich nicht auf eine Sache zu konzentrieren vermag, die Mutter schon lange Ähnliches bemerkt hat, ohne es benennen zu können. Das wiederum veranlasst uns, eine psychologische Abklärung anzusprechen, um eventuelle Entwicklungsprobleme frühzeitig aufzudecken und so D.s persönliche Entwicklung wie auch sein soziales Verhalten im Klassenverband zu begleiten.

Die Situation verdeutlicht die Herausforderung, die Bedürfnissen des Einzelnen mit den Anforderungen eines Kollektivs, der Schuklasse, in Einklang zu bringen: Es geht darum, Lernpotenziale und die Entwicklung der Einzelnen, als auch des Klassenverbandes, zu ermöglichen und gezielt zu fördern.

Laut Tschumper haben die SÄ „die Aufgabe, Kinder auf gesundheitlicher Ebene in der Entfaltung ihres Bildungspotentials zu unterstützen. Sie sehen das einzelne Kind und dessen gesundheitliche Situation in der Schule, sei es bei den Screening-Untersuchungen oder im Rahmen von Beratungen bei spezifischen Problemen (Abwesenheiten, gesundheitliche Fragstellungen im Kontext der Schule, Kindswohlgefährdung …etc.)“. Weiter fügt Tschumper hinzu: „Durch die Möglichkeit eines ganzheitlichen und untersuchenden Ansatzes werden vom schulärztlichen Dienst auch Familien und Kinder erreicht, die aus verschieden Gründen den Zugang zu einer hausärztlichen Versorgung verloren oder noch nicht etabliert haben“3).

SÄ arbeiten nicht nur auf das Individuum bezogen, sie haben auch eine „betriebsärztliche“ Funktion im „Lebens-Arbeitsumfeld Schule“. So gestalten SÄ und Schulpflegefachpersonen auch das gesunde physische und psychische Klima einer Schule mit, sei es z.B. bei der Pausenhofgestaltung. Ihre Präsenz in der Schule erlaubt einen niederschwelligen Zugang für alle anzubieten und in ihrer aufsuchenden Funktion auch diejenigen zu erreichen, die im ambulanten System zwischen die Maschen des Netzes fallen.  

Schulgesundheitsdienste beraten Schulen und Behörden und „wittern“ neue Trends

Mitarbeitende von Schulgesundheitsdiensten beraten zu Hygiene und Schutzkonzepten bei Infektionskrankheiten – wie das in der Corona Pandemie 2020 eine neue Aktualität erreicht hat. Sie können auch beratend beigezogen werden bei Fragen zu Mobbing, Gewalt in der Schule, psychosozialen Fragen und Genderfragen. Manchmal ist auch die Mitarbeit für Ernährungs- und Bewegungsangebote, sowie das Mitwirken an ergonomischen Konzepten für Schuleinrichtungen wertvoll, da Schülerinnen und Schüler einen Großteil des Tages in den Klassenräumen verbringen.  

SÄ sind Beobachter gesundheitlicher Trends von der Vorschule bis zum Schulabschluss und können zeitnah und rasch Probleme im Setting Schule wahrnehmen, mögliche Lösungen – bei Bedarf auch in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden – aufgleisen. Diese Funktion entspricht den im Manifest für Kinder- und Jugendgesundheit6) formulierten Forderungen für das Schulalter. Folgendes Beispiel illustriert diese Aufgabe:

Seit der erneuten Schulöffnung nach der ersten Corona-Welle zwischen März und Juni 2020 stellt eine Sekundarschule, in der täglich bis zu 800 Schüler ein – und ausgehen, eine Zunahme von Ängstlichkeit bis zu Angstzuständen zunächst einzelner Schüler und Schülerinnen, bis hin zu Panikattacken in ganzen Klassen fest. Lehrerinnen und Lehrer, sowie Schülerinnen und Schüler spüren wie sich eine kaum mehr aushaltbare „Elektrizität“ ausbreitet. Der SÄ wird eingeschaltet.
Mehrere Workshops und Intervention in den Klassen, Einzelgespräche, sowie Körper-zentrierte Ansätze, sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für das Lehrpersonal trugen dazu bei, dass in den kommenden Wochen die Angstphasen abnahmen, der Stresspegel sank, die betroffenen Schülerinnen und Schüler in der Sprechstunde mit der Schulpflegfachfrau oder dem SÄ betreut werden konnten und dennoch in ihrem schulischen Umfeld eingegliedert blieben.

Durch ihre verantwortungsvolle Funktion im öffentlichen Dienst haben SÄ die Legitimation, die verantwortlichen Schulleitungen und die Behörden bzw. Politiker auf bestehenden Handlungsbedarf aufmerksam zu machen. Sie können in Zusammenarbeit mit den Schulleitungen notwendige Maßnahmen vorschlagen und diese interdisziplinär begleiten. Die Rolle von SÄ für die Gesundheit von Adoleszenten wurde bereits eingehend beschrieben7).

Eine weitere wichtige Rolle kommt den schulärztlichen Diensten in der Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu, sowie auch im Impfwesen. Dabei steht die Aufklärung bei den Jugendlichen genauso wie das offene Gespräch mit Eltern, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, im Vordergrund. Impfkampagnen und Auffrischimpfungen gehören zu den vom Kanton geförderten Angeboten, mit dem Ziel, durch einen niederschwelligen Zugang eine möglichst breite Durchimpfung zu erreichen.

Vielfalt der Modelle

Die schulärztliche Tätigkeit ist in den meisten Kantonen sowohl in der Gesundheits- als auch in der Bildungsgesetzgebung verankert. Die kantonalen Rahmenbedingungen regeln, wie die Gemeinden ihren schulärztlichen Dienste personell und organisatorisch ausgestalten müssen. Dies führt schweizweit zu unterschiedlichen Modellen, kritisch beleuchtet in einer Masterarbeit von 20178). Die Organisation und das Angebot sind von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich. Dies zeigt sich z.B. bei der Durchführung und dem Inhalt der Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, die mancherorts vom schulärztlichen Dienst selbst, andernorts von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden. Die Autorin konnte vier verschiedene Modelle aufzeigen, vom klassisch öffentlichen bis zum delegiert privatwirtschaftlichen Modell und erwähnt, wie in verschiedenen Kantonen und Sprachregionen Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen im schulischen Umfeld angeboten werden.

Abbildung 3. Schulärztliche Dienste: Zuständigkeiten auf den verschiedenen Ebenen ( Mit Erlaubnis von Dr.med. A Tschumper)

Nationale Vernetzung

ScolarMed CH, eine Fachorganisation für alle im Schulgesundheitsdienst tätigen Fachpersonen, bietet eine Webseite (scolarmed.ch) und eine Mitglieder-Austauschplattform, sowie jährliche Tagungen an.  So trägt die inzwischen etablierte Organisation zur Sicherung der bedarfsgerechten schulärztlichen Versorgung aller Schülerinnen und Schüler der Schweiz bei. Sie setzt sich aus 3 Berufsgruppen zusammen, den haupt- und nebenamtlichen SÄ, den Schulpflegefachpersonen (mehrheitlich aus der Romandie) und den medizinischen Praxisfachpersonen (mehrheitlich aus der Deutschschweiz). ScolarMed CH ist offen für Einzelmitglieder und kantonale Dienste9) und ist mit paediatrie schweiz vernetzt.  

Zusammenfassung und Fazit:
Was tragen die schulärztlichen Dienste heute zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bei?

SÄ unterstützen die Chancengleichheit in Schulen und Vorschulen:

  • Durch die schulärztliche Betreuung werden alle Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Schule (unter Beachtung der freien Arztwahl) aktiv begleitet.
  • Der „doppelte Blick“, sowohl auf den Einzelnen als auch auf die Gemeinschaft, trägt zu einer bestmöglichen Integration auch derjenigen bei, die weniger „Ausgangskapital“ mitgebracht haben oder an einer chronischen Erkrankung, körperlichen Behinderung oder Entwicklungsstörung leiden und sich in eine neue multikulturelle und digitalisierte Generation integrieren müssen, um vergleichbare Berufschancen zu nutzen.

SÄ können durch ihre Expertise und Nähe die „Arbeits- und Lebenswelt Schule“, die eine wichtige Rolle für gesundes Wachstum und Entwicklung spielt, positiv beeinflussen:

  • SÄ sind oft am Puls des Geschehens neuer Trends bei Kindern und Jugendlichen, sie überblicken deren Entwicklung von den Vorschulen bis zum Schulabschluss. So können sie rasch auf Trends reagieren, bei der Gesundheitsförderung mitwirken und auch Schulleitungen und Lehrpersonen in gesundheitlichen Fragen beraten.
  • Sie ergänzen das präventiv medizinische Angebot der Haus- und Kinderärzte. Die Zusammenarbeit beider bietet hier größtmögliche Chancen für eine gesunde Entwicklung.

In diesem Sinne führen SÄ in der heutigen Zeit die idealistische Arbeit der schulärztlichen Pioniere weiter, indem sie diese Arbeit kontinuierlich, innovativ an die speziellen Herausforderungen der Gegenwart anpassen.

Diese Aufgabe erfordert vor allem interdisziplinäres Arbeiten ohne den Blick auf das Kind, die Jugendlichen, die Schülerinnen und Schüler und ihre Bedürfnisse zu verlieren.

Dank an: Dr.med. Annemarie Tschumper für wertvollen Input und das Überlassen von Konzeptskizzen und Abbildungen.


Referenzen

  1. Ruckstuhl B, Ryter E. Von der Seuchenpolizei zu Public Health. Öffentliche Gesundheit in der Schweiz seit 1750. Zürich, Chronos Verlag 2017
  2. Hofmann M. Schule als Instrument der Krankheitsprophylaxe. In: Crotti C, Osterwalder F (Hrsg). Das Jahrhundert der Schulreformen: internationale und nationale Perspektiven; 1900 – 1950. Prisma, Band 9. Haupt, Bern, Stuttgart und Wien, 2008: 83-103.
  3. Tschumper A, Künzli N, Gloor B, Dratva J. Public-Health-Aufgabe am Puls der Zeit: Schulärztin/Schularzt. Schweizerische Ärztezeitung 2017; 98(4):120–121 (link: https://doi.org/10.4414/bms.2017.05036)
  4. Royal College of Physicians and Surgeons of Canada. The CanMEDS framework. 2013 ( https://www.royalcollege.ca/rcsite/canmeds/framework/canmeds-role-medical-expert-e, accessed August 7, 2021). 
  5. WHO regional Office for Europe. European Framework for quality standards in school health services and competences for school health professionals. WHO, Copenhagen, Denmark 2014.  https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0003/246981/European-framework-for-quality-standards-in-school-health-services-and-competences-for-school-health-professionals.pdf (accessed July 21, 2021)
  6. Frey D, Dratva J, Hafen M, Wettach R. Manifest Kinder und Jugendgesundheit, Public Health Schweiz. 2018. http://gesundheitsmanifest.ch
  7. Stronski Huwiler S. Gesundheit und Gesundheitsvorsorge bei Adoleszenten: Zusammenarbeit von Pädiatern, Jugendärzten, Schulärzten und Schule, 2019, Paediatrica Vol.30 ,4-2019
  8. Luethi F, Schulärzte in der Schweiz- Master Arbeit, Universität Luzern 2017, BMS 2019;100(20):686–689
  9. Tschumper A, Kälin-Keller U, Bernasconi CF. Aus der Vereinigung der Schulärztinnen und Schulärzte der Schweiz wird ScolarMed CH. Schweizerische Ärztezeitung 2018, 99(47):1654-1655
  10. EUSUHM = European Union for School and University Health and Medicine. Dachorganisation die vernetzend auf europäischer Ebene tätig ist. www.eusuhm.org
  11. Scolarmed : Vereinigung der in den schulärztlichen Diensten der Schweiz tätigen Fachpersonen. www.scolarmed.ch

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autorinnen haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr med.  Tina Huber-Gieseke médecine scolaire/service des écoles de la Ville de Fribourg

Dr. med.  Susanne Stronski Huwiler Gesundheitsdienst Stadt Bern und Abteilung Neuropädiatrie, Entwicklung und Rehabilitation, Inselspital Bern