Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderurologie
In der Paediatrica 2008, Vol. 19 No. 41) wurden die Richtlinien der Schweizerischen Arbeitsgruppen für Pädiatrische Nephrologie und Pädiatrische Infektiologie zur Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind publiziert. Darin werden die Abklärungen, Akuttherapie und Langzeitbehandlung dieser Infekte erläutert. Die Schweizerische Gesellschaft für Kinderurologie SwissPU begrüsst diese Richtlinien sehr. Ergänzend möchte sie ihre Richtlinien zur zystoskopischen Injektions-Therapie des vesikoureteralen Reflux (VUR) mitteilen.
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Einleitung
In der Paediatrica 2008, Vol. 19 No. 4 1)
wurden die Richtlinien der Schweizeri –
schen Arbeitsgruppen für Pädiatrische
Nephrologie und Pädiatrische Infektio –
logie zur Behandlung von Harnwegsin –
fektionen beim Kind publiziert. D arin
werden die Abklärungen, Akuttherapie
und Langzeitbehandlung dieser Infekte er –
läutert. Die Schweizerische Gesellschaft
für Kinderurologie SwissP U begrüsst die –
se Richtlinien sehr. Ergänzend möchte
sie ihre Richtlinien zur zystoskopischen
Injektions -Therapie des vesikoureteralen
Reflux (VU R ) mitteilen.
Hintergrund
Das Ziel der Behandlung des VU R ist
es, febrile Harnwegsinfekte und sekun –
däre Narbenbildung der Nieren ( Ref –
luxnephropathie ) zu verhindern. Auch
wenn neuere Studien darauf hinweisen,
dass die Evidenz einer antibiotischen
Dauerprophylaxe zur Therapie der VU R
schwach ist, erscheint es auch heute
noch sinnvoll, diese als primäre Therapie
bei VU R zu empfehlen
2). Im Falle eines
febrilen Harnwegsinfektes trotz antibioti –
scher Prophylaxe ( Durchbruchsinfekten )
oder eines Infekts aufgrund mangelnder
Compliance bei der antibiotischen Pro –
phylaxe empfehlen die Schweizerischen
Arbeitsgruppen für Pädiatrische Nephro –
logie und Pädiatrische Infektiologie die
chirurgische Therapie des primären VUR.
Sowohl die antibiotische Dauerprophy –
laxe als auch die chirurgische Therapie
stellen für die Kinder und ihre Eltern eine
Belastung dar, sodass nach Alternativen
gesucht wurde.
Entwicklung der zystoskopischen
Injektions-Therapie des VUR
Das chirurgische Therapieziel ist die Be –
hebung des VUR. 1981 wurde erstmals
publiziert, dass dies nicht nur mit einer Ure –
terozystoneostomie\U (UCN), sondern auch
mit einer Injektion von Teflonpaste unter
das betroffene Ureterostium erzielt werden
kann
3). Dabei wird beim anästhesierten Kind
unter zystoskopischer Kontrolle die Subs –
tanz subureteral injiziert. Der Eingriff kann
ambulant erfolgen, da nach dem Eingriff
keine Katheter notwendig \Usind.
Bis vor wenigen Jahren wurden Substanzen
injiziert, welche keine definierte Partikelgrö –
ssen hatten, sodass sich winzige Teile un –
kontrolliert über das lymphatische System
verteilen konnten. Gleichzeitig war unklar,
welche Langzeitnebenwirkungen die damals
geläufigen injizierten Substanzen Teflon und
Silikon hatten, sodass viele Kinderurologen
diese Form der Therapie ablehnten. Die
Injektion von Kollagen boviner Herkunft hat
sich unter anderem aus Angst vor der bo –
vinen Enzephalopathie nicht durchgesetzt.
1994 wurden Substanzen mit Dextranpo –
lymeren in Hyaluronsäure (Deflux
®) einge –
führt. Durch die definierte Partikelgrösse
des Dextrans in Mikroglobuli wird eine un –
kontrollierte Migration im Körper verhindert.
Lokal findet eine nicht immunogene Ent –
zündungsreaktion statt. Die Hyaluronsäure
wird degradiert und durch eine körperei –
gene Kollagenmatrix ersetzt, welche die
Dextranglobuli vorübergehend stabilisiert
und im Verlauf eine kontrollierte iatrogene
«Narbe», die für den therapeutischen Effekt
verantwortlich ist, induziert. Da nur eine
geringe Kapselfibrosierung stattfindet kann
bei Misserfolgen die Substanz wiederholt
injiziert werden oder im Rahmen einer UCN
entfernt werden
4). Als Nebenwirkung wurde
nur in Einzelfällen eine postoperative Obst –
ruktion beschrieben, sodass die Applikation der im Körper abbaubaren Substanzen Dex
–
tranomer und Hyaluronsäure unbedenklich
erscheint.
Die Resultate der zystoskopischen The –
rapie des VUR sind trotz der Vielzahl der
Publikationen schwierig zu interpretieren,
da prospektive randomisierte Studienresul –
tate und echte Langzeitverläufe fehlen. Eine
2006 publizierte Metaanalyse zeigte nach
erstmaliger Injektion eine Erfolgsrate von
78% bei VUR Grad I und II, 72% bei VUR Grad
III und 63% bei VUR Grad IV
5). Bei nicht er-
folgreicher Erstbehandlung kann die zysto –
skopische Therapie wiederholt werden und
die Erfolgsrate kann so 90% überschreiten
6).
Damit ist diese jedoch immer noch niedriger
als bei der UCN, bei der mit 94–99% Erfolg
gerechnet werden darf. Gewisse Autoren
betrachten die Unterspritzung wegen des
wenig belastenden Eingriffes und der sehr
niederen Komplikationsrate als chirurgische
Therapie der Wahl, dies besonders auch in
Anbetracht einer möglichen Erhöhung der
Erfolgsquote mit verbesserten Injektions –
techniken
6).
Kontrovers beurteilt wird die zystoskopische
Therapie des VUR zur primären Therapie des
VUR an Stelle der antibiotischen Dauerpro –
phylaxe. Befürworter der zystoskopischen
Therapie betonen, dass bei erfolgreicher
Therapie im Gegensatz zur Prophylaxe kei –
ne Verlaufs-MCUG mehr notwendig sind.
Unterstützt wird diese Aussage durch eine
Publikation welche zeigte, dass 72% der
Patienten das MCUG als den belastendsten
Teil der VUR-Therapie empfanden
7). Zusätz –
lich erschwert wird die Wahl der besten
primären Therapie des VUR durch kürzlich
erschienene randomisierte Studien, welche
den Nutzen der antibiotischen Prophylaxe
bei VUR in Frage stellen
8), 9) .
Schlussfolgerungen
Die einfache Applikation und die relativ
hohen Erfolgsraten lassen die zystosko –
pische Injektions-Therapie des VUR als
adäquate Alternative zur antibiotischen
Dauerprophylaxe und zur chirurgischen
Ureterozystoneos tomie erscheinen.
Empfehlungen der S\iwissPU
1. Nach Durchbruchsinfekten bei niedrig –
gradigem und mittelgradigem VUR ohne
weitere assoziierte urologische Begleiter –
Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderurologie
Behandlung des ves\Rikoureteralen Reflux
im Kindesalter: Stellenwert der z\Rystos –
kopischen Injektions-Therapie
Daniel M. Weber*, Christophe Gapany***, Blaise J. Meyrat**, Peter Frey**, Rita Gobet *
* Kinderurologie, Klinik für Kinderchirurgie, Universi –
täts-Kinderspital Züric\Uh
** Urologie pédiatriqu\Ue, DMCP, CHUV, Lausanne
*** Service de chirurgie pédiatrique, Hôpital des Enfants,
Genève
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krankungen können die zystoskopische
Injektions-Therapie und die Neuimplan-
tation des Ureters als Therapieoptionen
empfohlen werden.
2. Die zystoskopische Injektions-Therapie
des VUR kann als Alternative zur antibi –
otischen Dauerprophylaxe als Therapie –
option besonders bei mangelnder «Com –
pliance» bezüglich der medikamentösen
Prophylaxe angeboten\U werden.
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Erarbeitet durch die Schweizerische Gesell –
schaft für Kinderurol\Uogie SwissSPU:
Daniel Weber, Christophe Ga\Upany,
Blaise Meyrat, Peter Frey, Rita Gobet
Korrespondenzadresse
PD Dr. med. Daniel Weber
Kinderurologie
Klinik für Kinderchirurgie
Universitäts-Kinderspital Züric\Uh
Steinwiesstrasse 7\U5
CH- 8032 Zürich
Daniel.Weber@kispi.uzh.ch
Tel +41 44 266 73 37
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
PD Dr. med. Daniel M. Weber , Kinderurologie, Klinik für Kinderchirurgie Universitäts-Kinderspital, Zürich