Eine regelmässige körperliche Betätigung im Kindes- und Jugendalter ist gesund und wichtig. Sie zeigt einen positiven Effekt auf die muskuloskeletale Gesundheit, das Herz-Kreislauf-System, das Wachstum und auch auf die psychologische und koordinative Entwicklung1), 2). Die körperliche Betätigung im Kindesalter hat zudem einen günstigen Einfluss auf die Prognose von Erkrankungen im Erwachsenenalter wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen. Daher wird für alle Kinder und Jugendlichen eine regelmässige (d. h. vier bis fünf Mal pro Woche) sportliche Betätigung empfohlen3). Leider hat aber die körperliche Aktivität der Kinder in unseren Breitengraden deutlich abgenommen. Zu gross ist die Ablenkung durch sitzende Beschäftigungen wie Computerspiele und Fernsehen; oder die Schulwege werden vermehrt per Auto oder Bus und nicht mehr zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Häufige Folgen sind verminderte Kondition und Übergewicht, was wiederum ein erhöhtes Risiko für Komorbiditäten wie z. B. Insulinresistenz, Dyslipidämie, arterielle Hypertonie und Schlaf-assoziierte Atmungserkrankungen birgt.
7
Übergewichtige und untrainierte Kinder
erreichen bei körperlicher Belastung
schnell die sogenannte anaerobe Schwelle
und erreichen ihre physiologische Grenze
frühzeitig. Dadurch werden sie dyspnoeisch
und weisen eine reduzierte Leistungsfähig-
keit auf.
Andere wichtige Differentialdiagnosen sind
das anstrengungsinduzierte Asthma bron –
chiale, eine Obstruktion der grossen Atem –
wege, restriktive Ventilationsstörungen
oder auch seltener eine anstrengungsbe –
dingte Hyperventilation. Auch können sich
kardiale oder kardiovaskuläre Pathologien
durch eine Anstrengungsdyspnoe manifes –
tieren.
Die Leitsymptome des anstrengungsindu –
zierten Asthma bronchiale sind Engege-
fühl und Thoraxschmerzen während körper –
licher Anstrengung. Husten und Wheezing
(pfeifende Atemgeräusche) können diese
Befunde begleiten
6). Bei ca. 75% aller Kin –
der mit Asthma bronchiale ist die körperli –
che Belastung der entscheidende Auslöser
für die Atemnot. Als Mechanismen für die
anstrengungsbedingte Bronchokonstrikti –
on, die beim überempfindlichen Bronchial –
system des asthmatischen Kindes bei Be –
lastung auftritt, werden Wärmeverlust,
eine relative Austrocknung (Verdunstung
der periziliären Flüssigkeit auf den Epithel –
zellen) oder eine reaktive Hyperämie
der Bronchialschleimhaut diskutiert. Typi –
scherweise tritt die Obstruktion erst nach
einigen Minuten körperlicher Anstrengung
oder während der Erholungsphase nach
Anstrengung auf. Gewöhnlich bilden sich
die Symptome nach Sistierung der Belas –
tung spontan zurück. In der Winterzeit bei
Kälte und trockener Luft und im Rahmen
von Infekten der oberen Luftwege ist die
resultierende Obstruktion verstärkt und
entsprechend sind die Symptome dann
ausgeprägter.
Einleitung
Eine regelmässige körperliche Betätigung
im Kindes- und Jugendalter ist gesund und
wichtig. Sie zeigt einen positiven Effekt auf
die muskuloskeletale Gesundheit, das
Herz-Kreislauf-System, das Wachstum und
auch auf die psychologische und koordina –
tive Entwicklung
1), 2) . Die körperliche Betäti –
gung im Kindesalter hat zudem einen güns –
tigen Einfluss auf die Prognose von
Erkrankungen im Erwachsenenalter wie
Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-
oder Krebserkrankungen. Daher wird für
alle Kinder und Jugendlichen eine regelmäs –
sige (d. h. vier bis fünf Mal pro Woche)
sportliche Betätigung empfohlen
3). Leider
hat aber die körperliche Aktivität der Kinder
in unseren Breitengraden deutlich abge –
nommen. Zu gross ist die Ablenkung durch
sitzende Beschäftigungen wie Computer –
spiele und Fernsehen; oder die Schulwege
werden vermehrt per Auto oder Bus und
nicht mehr zu Fuss oder mit dem Fahrrad
zurückgelegt. Häufige Folgen sind vermin –
derte Kondition und Übergewicht, was
wiederum ein erhöhtes Risiko für Komorbi –
ditäten wie z. B. Insulinresistenz, Dyslipidä –
mie, arterielle Hypertonie und Schlaf-asso –
ziierte Atmungserkrankungen birgt.
Die physikalische körperliche Aktivität ist
komplex und involviert mehrere Organsys –
teme, darunter das muskuloskeletale, das
Atmungs-, das kardiovaskuläre, das häma –
topoietische und das neuropsychologische
System
1). Eine Dysfunktion in jedem dieser
Systeme kann zu einer Verminderung der
körperlichen Leistungsfähigkeit führen.
Gleichzeitig hat eine verminderte körperli –
che Aktivität, sei es in Folge einer bewe –
gungsarmen Lebensweise oder einer chro –
nischen Krankheit, negative Einflüsse auf
die genannten Organsysteme. Gerade bei Kindern mit chronischen Erkrankungen
wird die Teilnahme an körperlichen Aktivi
–
täten zusätzlich begrenzt, weil die körperli –
che Leistungsfähigkeit durch die Kinder
selbst oder die Eltern zu tief eingestuft wird
und die Kinder folglich von sportlichen Ak –
tivitäten ferngehalten werden.
Anstrengungsdyspnoe, das heisst das Auf –
treten von Atembeschwerden während
körperlicher Aktivität, ist ein häufiger Kon –
sultationsgrund in der pädiatrischen Sprech –
stunde. Dem Pädiater fällt dabei die Aufgabe
zu, herauszufinden, welche Kinder eine
Einschränkung der körperlichen Leistungs –
fähigkeit aufgrund einer organischen Ursa –
che aufweisen, und diese entsprechend zu
behandeln, und welche lediglich inadäquat
trainiert sind und sich vermehrt bewegen
sollten. Der folgende Artikel liefert einen
Überblick über die häufigsten Ursachen, den
Abklärungsgang sowie Therapiemodalitäten
der Anstrengungsdyspnoe bei Kindern und
Jugendlichen.
Ätiologie der Anstrengungs –
dyspnoe
Die häufigste Ursache einer Anstrengungs –
dyspnoe ist die sogenannte Dekonditionie –
rung , die mangelnde körperliche Fitness,
die oft mit Übergewicht vergesellschaftet
ist (Abbildung 1) . Die Wahrnehmung der
Dyspnoe erfolgt über den durch die Laktat –
azidose ausgelösten erhöhten Atemantrieb
während des anaeroben Metabolismus
4).
Anstrengungsdyspnoe bei Kindern und
Jugendlichen: Ursachen, Abklärung und
Therapie
J. Ambuehl*, M. Zanolari***, C. Casaulta*, A. Moeller**, N. Regamey*
* Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital, Bern
** Universitäts-Kinderkliniken, Zürich
*** Studio pneumologia pediatrica Lugano Abbildung 1:
Ursachen der Anstrengungsdyspnoe (modifiziert nach 5))
Vol. 23 Nr. 4 2012
Fortbildung
8
Adipositas), Auffälligkeiten in der kardialen
Untersuchung (Herzfehler), ekzematöse
Veränderungen an der Haut, Konjunktivitis,
hyperäme Nasenschleimhaut (Atopie),
Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel
(chronische Hypoxämie), Stridor inspirato-
risch mit oder ohne exspiratorische Kom –
ponente (Obstruktion der oberen Atemwe –
ge) und Wheezing (Obstruktion der unteren
Atemwege) für die Diagnose hinweisend
sein.
Körperliche Belastungsprüfung
Um eine definitive Diagnose stellen zu kön –
nen, müssen die Symptome reproduziert
und objektiviert werden. Dies geschieht am
Einfachsten, wenn das Kind unter Aufsicht
diejenige körperliche Belastungsaktivität
ausübt, bei der anamnestisch die beschrie –
benen Symptome auftreten. Videoaufnah –
men (zum Beispiel mit dem Handy durch
Familienangehörige oder Freunde) können
hilfreich sein.
Eine auch in der Kinderarztpraxis praktika –
ble Belastungsprüfung ist der sogenannte
free-running-Test . Dabei rennt das Kind
beobachtet einmal um den Hausblock oder
entlang eines langen Korridors, oder steigt
eine vorgegebene Anzahl Treppen hoch.
Man achtet dabei vor, während und nach
der Belastung auf subjektive (Dyspnoe,
muskuläre Ermüdbarkeit) und klinische
Zeichen (Einziehungen, Zyanose, Giemen,
Husten, Stridor, Pulsrate und Blutdruck).
Wenn die technische Einrichtung es ermög –
licht, wird zusätzlich vor und nach der Be –
lastung eine transkutane Sauerstoffsätti –
gung gemessen und eine Spirometrie
durchgeführt. Da eine Obstruktion der
Atemwege beim anstrengungsinduzierten
Asthma bronchiale oft erst nach Beendi –
gung der Belastung auftritt, wird empfoh –
len, die Spirometrie an regelmässigen Inter –
vallen nach Anstrengung durchzuführen,
z. B. nach 5 Minuten, 15 Minuten und 30
Minuten.
In den meisten Fällen kann mit dem free-
running-Test die durch Anamnese und Status
gestellte Verdachtsdiagnose bestätigt wer –
den. Das Auftreten von Giemen und Husten,
sowie ein Abfall von mindestens 12% des
Erstsekundenvolumens (FEV1) in der spiro –
metrischen Untersuchung bestätigen die
Diagnose eines anstrengungsinduzierten
Asthma bronchiale. Die Diagnose eines an –
strengungsinduzierten Asthma bronchiale
Ein weiterer Grund für Anstrengungs
–
dyspnoe ist eine Obstruktion der gros –
sen Atemwege, die im Rahmen einer
Stimmbanddysfunktion, auch genannt vo –
cal cord dysfunction (VCD) oder einer
anatomischen Fehlbildung (z. B. Gefäss –
malformation mit Einengung der Trachea)
auftreten kann. Die Stimmbanddysfunkti –
on ist eine funktionelle, intermittierende
Atemnot-induzierende laryngeale Obstruk –
tion während der In- und seltener während
der Exspiration
7). Klinisch äussert sie sich
als plötzlich auftretende, manchmal als
lebensbedrohlich erlebte Dyspnoe, und ist
oft begleitet von einem hochfrequenten
inspiratorischen Stridor, verursacht durch
die paradoxe Adduktion der Stimmbänder
während der Inspiration. Auslöser für die
perakute Symptomatik sind individuell
unterschiedlich und beinhalten körperli –
che Anstrengung, aber auch psychische
Erregung, Hustenreiz, Verschlucken oder
inhalative Irritantien wie Reinigungsmittel
oder Parfüm. Die Symptomatik ist selbst –
limitierend und dauert von 30 Sekunden
bis zu einigen Minuten an. Pathognomo –
nisch ist die Beschreibung einer subjekti –
ven Einengung im Halsbereich. Sehr ty –
pisch für eine Stimmbanddysfunktion sind
auch Dys- und Aphonie während und kurz
nach der Dyspnoeattacke.
Restriktive Ventilationsstörungen sind im
Kindesalter selten. Viele interstitielle Pneu –
mopathien treten nicht primär, sondern im
Rahmen einer systemischen Grunderkran –
kung (z. B. Sarkoidose, Neurofibromatose,
vaskuläre Kollagenosen usw.) auf. Die häu –
figste primäre interstitielle Pneumopathie im
Kindesalter ist die exogen-allergische Alveo –
litis. Sie kann durch Vogel- (Vogelzüchterlun –
ge) oder Pilzantigene (Heu-, Farmerlunge)
oder durch eine Vielzahl von weiteren organi –
schen Stoffen ausgelöst werden. Hinweise
für eine restriktive Lungenerkrankung gibt die
Klinik mit einer sich schleichend einsetzen –
den Anstrengungsdyspnoe, oft begleitet
durch trockenen Husten, Gewichtsverlust
und Leistungseinbusse. Die Anstrengungs –
dyspnoe bei interstitiellen Prozessen tritt bei
jeder Anstrengung und unmittelbar bei An –
strengungsbeginn auf (proportional zur Inten –
sität der Anstrengung/des O
2-Verbrauchs),
dies im Gegensatz zur Anstrengungsdyspnoe
beim Asthma bronchiale, welche verzögert
eintritt, unregelmässig auftreten kann und
von der Belastungsart abhängig ist (in der
Regel Laufen > Schwimmen). Hyperventilationsattacken
sind subjektiv
nur schwierig von Asthmaanfällen zu unter –
scheiden und zwar bei Patienten mit und
ohne Asthma. Die Hyperventilation ist eine
übermässige Atemleistung durch direkte
Stimulation des Atemzentrums, z. B. Phar –
maka, oder durch psychische Einflüsse
(Angst, Panik), oder kompensatorisch bei
Gewebehypoxie und Azidose (Kussmaul-
Atmung). Typische Merkmale neben der
beschleunigten, oberflächlichen Atmung
sind Kribbel-Parästhesien, gesteigerte
Muskeleigenreflexe und Pfötchenstellung.
Es sind vor allem Adoleszentinnen und
junge Frauen betroffen.
Schlussendlich können sich kardiovaskulä –
re Krankheiten wie anstrengungsinduzier –
te Herzrhythmusstörungen (z. B. supravent –
rikuläre Tachykardie), Kardiomyopathien
oder angeborene Herzfehler ausschliesslich
durch eine Anstrengungsdyspnoe manifes –
tieren. Sie stellen eine wichtige Differential –
diagnose zu den pulmonalen Ursachen einer
Anstrengungsdyspnoe dar, werden hier aber
nicht ausführlicher diskutiert.
Abklärungsgang
Anamnese und körperlicher Status
Anamnese und körperliche Untersuchung
sind in der Regel wegweisend für die Ursa –
che einer Anstrengungsdyspnoe. Überge –
wicht und mangelnde körperliche Bewe –
gung weisen auf eine Dekonditionierung
hin. Eine positive Anamnese für Atopie (al –
lergische Rhinokonjunktivitis, Neurodermi –
tis usw.) lässt an ein anstrengungsinduzier –
tes Asthma bronchiale denken. In beiden
Fällen ist eine langsam einsetzende Atem –
not nach einigen Minuten körperlicher Be –
lastung typisch. Das abrupte Auftreten ei –
nes inspiratorischen Stridors während
Anstrengung bei einem Adoleszenten ist
fast pathognomonisch für eine Stimmband –
dysfunktion, insbesondere wenn die Sym –
ptomatik auch durch andere Trigger wie
Emotionen oder Gerüche ausgelöst wird.
Bei zusätzlichen Symptomen wie Kribbeln
in den Fingern oder Pfötchenstellung der
Hände muss an eine Hyperventilationspro –
blematik gedacht werden. Das Auftreten
einer Zyanose oder Synkopen während
körperlicher Anstrengung sind Alarmzei –
chen und indizieren eine sorgfältige kardio –
logische Abklärung. In der körperlichen
Untersuchung können Körpergewicht und
Blutdruck (eventuell sekundär erhöht bei
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Fortbildung
9
wird zusätzlich unterstützt durch den Nach-
weis einer Reversibilität der Obstruktion
nach Inhalation mit einem 2-Mimetikum
(z. B. 200–400µg Salbutamol als Dosieraero –
sol via Vorschaltkammer; Abbildung 2A ). Die
Diagnose einer Stimmbanddysfunktion kann
in der Regel durch die typische Symptomkon –
stellation während der Anstrengung gestellt
werden. Manchmal gelingt der Nachweis der
Abflachung des inspiratorischen Flusses in
der Flussvolumenkurve bei der Spirometrie
(sogenannte «dekapitierte» Kurve; Abbildung
2B ). Der Goldstandard zur Diagnose einer
Stimmbanddysfunktion wäre eine direkte
Laryngoskopie während Symptomen, nur ist
diese nicht sehr praktikabel und nur in selte –
nen Fällen indiziert. Eine Desaturation (Abfall
der Sauerstoffsättigung) unter körperlicher
Belastung ist immer pathologisch und ver –
langt zwingend nach einer weiterführenden
Abklärung im Sinne einer detaillierten kinder-
pneumologischen oder -kardiologischen Ab –
klärung. Bei Auftreten einer Hyperventilati –
onssymptomatik kann zur Objektivierung ein
Versuch der Rückatmung in einen Sack un –
ternommen werden (Besserung der Sympto –
matik). Falls verfügbar ist eine Blutgasanaly –
se hilfreich. Diese zeigt typischerweise ein
tiefes pCO
2 (< 35 mmHg bzw. < 4.67 kPa) bei
erhöhtem ph-Wert (> 7.45) 4). Die Diagnose
einer Dekonditionierung ist eine Auschluss –
diagnose bei Auftreten von Dyspnoe ohne
objektive Zeichen einer Atemwegsobstrukti –
on, kardiovaskuläre Auffälligkeiten, Sauer –
stoffentsättigung oder Veränderungen in der
Spirometrie
1).
Wie jeder Test hat der free-running-Test Vor-
und Nachteile ( Ta b e l l e 1) . Das Testverfahren
ist einfach und kostengünstig in der Anwen –
dung. Eine maximale Anstrengung wird je –
doch beim free-running-Test nur selten er –
reicht, und bei submaximaler Belastung
können Pathomechanismen, die zur Dys –
pnoe führen, nicht immer erkannt werden.
Zudem ist der Test nicht standardisiert, da
Outcome-Messwerte wie objektiv erbrachte
Leistung oder Sauerstoffaufnahme nicht
quantifiziert werden können und nur
schlecht reproduzierbar sind. Beim free-
running-Test ist es auch schwierig, Patienten
zu monitorisieren, was die Gefahr birgt, dass
zum Beispiel eine schwere Bronchokonstrik –
tion oder eine anstrengungsinduzierte Ar –
rhythmie nicht oder zu spät erkannt werden.
Dazu können Umgebungsfaktoren wie die
Luftfeuchtigkeit und -temperatur, welche
das Auftreten einer Bronchokonstriktion bei
Abbildung 2: Flussvolumen-Kurven in der Spirometrie bei (A) Atemwegsobstruktion im Rah –
men eines Asthma bronchiale und bei (B) Stimmbanddysfunktion (vocal cord dysfunction,
VCD) mit vermindertem Atemfluss während der Inspiration
Vor teile Nachteile
Kostengünstig Maximale Anstrengung selten erreicht
Einfach durchführbar Schwierig zu standardisieren, Outcomes
(Arbeitsleistung, Sauerstoffaufnahme usw.)
nicht quantifiziert
Braucht wenig Material (Sauerstoffsättigungs-
Messgerät, Spirometer) Schwierig, Patienten zu monitorisieren,
mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen
(z.
B. bei schwerer Bronchokonstriktion)
Laufen als populärer Sport Abhängigkeit von Umweltbedingungen
(Temperatur, Luftfeuchtigkeit)
Ta b e l l e 1: Vor- und Nachteile eines free-running-Tests
anstrengungsinduziertem Asthma beeinflus-
sen (Bronchokonstriktion nur unter trocke –
ner und kühler Luft) beim free-running-Test
nicht beliebig geändert oder kontrolliert
werden
1). Trotz diesen Nachteilen erlaubt der
free-running-Test in vielen Fällen eine objek –
tive Einschätzung der Ursache einer An –
strengungsdyspnoe.
In unklaren Fällen lassen sich mit formel –
len kardiopulmonalen Belastungstests genauere Angaben über die Ursache der
Anstrengungsdyspnoe machen
1). Formelle
Tests erlauben es, zusätzlich zu den im
free-running-Test gemessenen Parametern,
eine quantitative und standardisierte Aus –
sage über die Arbeitsleistung (gemessen in
Watt) und über Ventilationsparameter (Sau –
erstoffaufnahme und CO
2-Abgabe) zu ma –
chen. Fahrradergometrie und Laufbandtest
sind die am meisten gebrauchten Verfahren
(Abbildung 3) .
Fluss (l/s)
F/ V i n F/ V e x
Vol (l) Zeit (s)
A:
Flussvolumenkurve bei
Asthma bronchiale
vor (1; blau) und nach
(2; rot) Inhalation mit
-Mimetika
F/V in = inspiratorische
Flussvolumenkurve
F/V ex = expiratorische
Flussvolumenkurve
B: Flussvolumenkurve
bei VCD mit Abflachung
der inspiratorischen
Kurve (Pfeil) Fluss (l/s)
F/ V i n F/ V e x
Vol (l) Zeit (s)
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Fortbildung
10
Der Hauptvorteil der Fahrradergometrie ist,
dass die Arbeitsleistung genau erfasst
werden kann, wohingegen sie beim Lauf-
band von der Lauftechnik und vom Körper-
gewicht des Patienten abhängt. Zudem sind
Unfallrisiko und personeller Aufwand zur
Sicherung des Patienten beim Fahrrad
deutlich geringer als beim Laufband. Auf
dem Laufband werden dagegen eher maxi –
male Leistungen erreicht und es kommt
mehr differenzierte Muskelmasse zum Ein –
satz als auf dem Fahrrad. Zudem ist die
Untersuchung für jüngere Kinder (< 10 Jah -
re) einfacher durchführbar, da die Kinder
eher gewohnt sind zu rennen oder zu laufen
als Fahrradfahren. Für ganz junge Kinder
(< 5 Jahre) oder solche mit nur geringen
sensomotorischen Fähigkeiten wird an der
Universitätskinderklinik in Bern ein stan -
dardisierter Laufbandtest mit neigbarem
Band (Abbildung 3) , bei dem hohe Belas -
tungsintensitäten erreicht werden können,
angewendet
8). Bei beiden Untersuchungs -
verfahren werden die Patienten monitori -
siert (EKG, Blutdruck, Pulsoxymetrie). Ven -
tilationsparameter (Sauerstoffverbrauch
und CO
2–Produktion) werden von Atemzug
zu Atemzug oder alle 20–30 Sekunden
durch spezielle Mundstücke plus Nasen -
klemme oder Maske über ein metaboli -
sches System (Gasanalysator) gemessen.
Es werden verschiedene Protokolle für
formelle kardiopulmonale Belastungstests
angewendet. Für diese verweisen wir auf
spezialisierte Literatur
1). vorangehende Anstrengung die Leistungs
-
fähigkeit vermindern kann und sich zudem
eine Schutzfunktion auf eine mögliche
Bronchokonstriktion einstellen kann. Kin -
der sollten nicht mit vollem Magen, aber gut
hydriert getestet werden.
Ein für die Praxis praktikabler Abklärungs -
gang bei Anstrengungsdyspnoe im Kindes -
alter ist in Abbildung 4 illustriert.
Therapie
Bei der häufigsten Ursache der Anstren -
gungsdypnoe, der Dekonditionierung ,
steht die Beratung der Eltern im Vorder -
grund. Es ist es äussert wichtig, dass die
Eltern wissen, dass ihr Kind Sport machen
darf, sogar machen soll, um ein höheres
Leistungstoleranzniveau erreichen zu kön -
nen. In diesen Fällen soll der Kinderarzt mit
den Patienten und den Eltern Möglichkeiten
besprechen, wie eine regelmässige körper -
liche Betätigung als Training gestaltet wer -
den könnte. Zusätzliche Massnahmen wie
Gewichtsreduktion, psychologische Be -
treuung usw. sind individuell zu gestalten.
Die anstrengungsinduzierte Bronchoob -
struktion ist Zeichen einer nicht adäquaten
Asthma-Kontrolle. Also muss initial die
Basistherapie kontrolliert und angepasst
werden. In den meisten Fällen muss die
inhalative Corticosteroid-Dosis erhöht wer -
den. Zusätzlich sind folgende Massnahmen
zur Vorbeugung einer bronchialen Obstruk -
tion während der körperlichen Belastung
Um eine belastungsinduzierte Bronchoobs
-
truktion untersuchen zu können, müssen
Medikamente, die die Testergebnisse be -
einflussen können, vor dem Belastungstest
pausiert werden. Für inhalative kurzwirksa -
me Bronchodilatatoren sind dies 8 Stun -
den, für Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten
24 Stunden und für inhalative langwirksa -
me Bronchodilatatoren und Antihistaminika
48 Stunden. Am Untersuchungstag sollten
die Kinder auf koffein- und schokoladehal -
tige Nahrungsmittel verzichten. Auch sollte
während den 4 Stunden vor dem Test kein
exzessiver Sport betrieben werden, da eine
Abbildung 3: Fahrrad- und Laufbandergometrie (hier dargestellt die Fahrradergometrie und
das Laufbandergometer mit Rampe an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde in Bern
mit der freundlichen Genehmigung zur Veröffentlichung durch die abgebildeten Personen
respektive deren Eltern)
Abbildung 4: Möglicher Abklärungsgang in der Praxis bei Anstrengungsdyspnoe beim Kind Anstrengungsdyspnoe
Anamnese und Status (Verdachtsdiagnose)
free-running-Test
Befunde unklar
Zuweisung zur pädiatrisch-pneumologi -
schen oder -kardiologischen Abklärung
(u. a. Fahrradergometrie/Laufbandtest) B e f u n d e kl a r,
Verdachtsdiagnose bestätigt
Keine weiteren Abklärungen, Therapievorschlag
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Fortbildung
11
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Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Nicolas Regamey
Abteilung für Pädiatrische Pneumologie
Universitätsklinik für Kinderheilkunde
Inselspital, 3010 Bern
Nicolas.Regamey@insel.ch
hilfreich: Gute Hydrierung; gute Aufwärm
-
phase (10 Minuten oder mehr), idealerwei -
se mit Intervallen; abwechslungsreiche
Belastungsintensität während des Sports,
da vor allem die kontinuierliche Dauerbe -
lastung zur Bronchokonstriktion führt; Wahl
einer geeigneten Sportart, bei der im indi -
viduellen Fall erfahrungsgemäss seltener
eine Bronchokonstriktion auftritt; Vermei -
dung von Sportarten, bei denen ein zusätz -
lich hoher Allergenkontakt auftritt (z. B.
Reiten), da 80% der Kinder mit einer an -
strengungsinduzierten Bronchokonstrikti -
on ein exogen-allergisches Asthma bron -
chiale aufweisen; gutes Auslaufen nach der
körperlichen Anstrengung. Zudem kann
eine Therapie mit einem kurzwirksamen
Bronchodilatator (z. B. Salbutamol Inhalati -
on ca. 30 Minuten vor Sportbeginn) der
Bronchokonstriktion vorbeugen. Leukotrie -
nerezeptor Antagonisten (z. B. Montelu -
kast) haben eine ähnliche Wirksamkeit und
können vor allem bei Kindern, die unzuver-
lässig vor dem Sport inhalieren oder sich
mehrmals täglich körperlich betätigen, ein -
gesetzt werden. Das Kind und seine Eltern
sollen angehalten werden, trotz des Asth -
ma bronchiale regelmässige körperliche
Aktivitäten durchzuführen. Asthma darf nie
ein Grund sein, auf Sport zu verzichten, da
anstrengungsinduziertes Asthma bronchi -
ale in aller Regel Zeichen eines nicht gut
behandelten Asthmas ist. Die Therapie
muss so gestaltet werden, dass eine freie
körperliche Belastung ohne anstrengungs -
induzierte Bronchokonstriktion möglich ist.
Bei der Stimmbanddysfunktion ist die
effektivste Therapie die Aufklärung des
Patienten. Das Verständnis der Problematik
erlaubt es in den meisten Fällen, dass Pati -
enten die von ihnen oft als lebensbedroh -
lich empfundene Symptomatik korrekt ein -
stufen und Ängste abbauen können. Eine
Atem- oder Stimmtherapie, die als Ziel hat,
den paradoxen Verschluss der Atemwege
zu verhindern, hilft langfristig die Sympto -
matik zu kontrollieren bzw. deren Auftreten
zu verhindern. Diese muss aber von ent -
sprechend ausgebildeten Logopäden, Pho -
niater oder Physiotherapeuten durchge -
führt werden. Entspannungsübungen oder
eine psychotherapeutische Betreuung kön -
nen dabei hilfreich sein, vor allem wenn
spezifische Belastungsfaktoren eruiert
werden können. Im akuten Anfall können
nebst Atemstrategien (Zwerchfellbetonte
und kehlkopfentspannende Atmung), Phonationsübungen («Singen im Anfall»)
und Umstellung auf Nasenatmung mit he
-
chelnder oberflächlicher Atmung, Benzodi -
azepine oder die Inhalation mit einem Heli -
um-Sauerstoff- Gemisch im schweren Fall
eine Atemerleichterung bringen. Bei zusätzli -
cher Irritation des Pharynx oder Larynxbe -
reichs durch einen gastroösophagealen Ref-
lux können Protonenpumpen Inhibitoren
wirksam sein. Auch wird in manchen Fällen
von präventiven Erfolgen mit der Inhalation
eines anticholinergen Aerosoles (z. B. Ipratro -
piumbromid) vor dem Sport berichtet
7).
Bei der Hyperventilation helfen Beruhi-
gung, langsames Atmen und Rückatmen in
einen Plastiksack (Cave: Beutel nur vor den
Mund halten) oder in schweren Fällen eine
kurzfristige medikamentöse Sedierung mit
Benzodiazepinen.
In den selteneren Fällen einer anatomisch
fixierten Obstruktion der Atemwege, einer
restriktiven Pneumopathie oder einer kar -
diovaskulären Pathologie sind spezifische
medizinische Massnahmen indiziert.
Schlussfolgerung
Die Ursachen einer Anstrengungsdyspnoe
sind vielfältig. Mittels sorgfältiger Anamne -
se, klinischer Untersuchung sowie eines
free-running-Tests kann im klinischen All -
tag in den meisten Fällen eine korrekte Di -
agnose gestellt werden, wobei körperliche
Dekonditionierung (als Ausschlussdiagno -
se), anstrengungsinduziertes Asthma bron -
chiale und Stimmbanddysfunktion die
Mehrheit der Fälle ausmachen. In unklaren
Fällen ist die Indikation zur Zuweisung in
eine pädiatrisch-pneumologische oder
-kardiologische Sprechstunde zur Durch -
führung einer formellen Belastungsprüfung
(Laufbandtest oder Fahrradergometrie) ge -
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Die Autoren haben keine finanzielle Unterstützung
und keine anderen Interessens konflikte im Zusam-
menhang mit diesem Beitrag deklariert.
Vol. 23 Nr. 4 2012
Fortbildung
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
J. Ambuehl M. Zanolari Dr. med. Carmen Casaulta , Inselspital Bern Alexander Möller , Leitender Arzt, Abteilung für pädiatrische Pneumologie, Universitäts-Kinderspital Zürich, Zürich Prof. Dr. med. Nicolas Regamey , Präsident Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie, Co-Chefarzt, Kinderspital, Luzerner Kantonsspital, Luzern Andreas Nydegger