Fachzeitschrift >

Jodstatus bei Säuglingen und Kindern in der Schweiz

Ernährung

Jod ist ein wichtiger Nahrungsbestandteil, der zur Herstellung der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) benötigt wird.

Einleitung

Jod ist ein wichtiger Nahrungsbestandteil, der zur Herstellung der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) benötigt wird. Der Jodgehalt in der Nahrung hängt zu einem grossen Teil vom Jodgehalt im Boden ab. Weil die Schweizer Böden arm an Jod sind, enthalten fast alle Lebensmittel nur geringe Mengen Jod. Deshalb war die Schweiz in der Vergangenheit von mittelschwerem bis schwerem Jodmangel betroffen.

Die Anreicherung von Speisesalz mit Jod ist aus Sicht der öffentlichen Gesundheit die wirksamste Strategie, um einem Jodmangel vorzubeugen und eine angemessene Jodversorgung der Bevölkerung sicherzustellen1). Bereits im Jahr 1922 wurde jodiertes Speisesalz in der Schweiz eingeführt, um Jodmangel zu verhindern. Seit 1952 ist dieses landesweit verfügbar2). Diese bald 100 Jahre alte Strategie zur Vermeidung von Jodmangel durch jodiertes Salz steht aktuell jedoch vor neuen Herausforderungen, da sich die Ernährungsgewohnheiten geändert haben. In diesem Artikel werden die Fortschritte der Jodernährung bei Säuglingen und Kindern und die aktuelle Situation bezüglich der Jodversorgung der Schweizer Bevölkerung zusammengefasst. 

Folgen eines Jodmangels

Eine Vergrösserung der Schilddrüse (Struma oder Kropf) ist das klassische Symptom eines Jodmangels; es ist die physiologische Anpassung auf einen chronischen Jodmangel. Schwerer Jodmangel kann auch die T4- und T3-Produktion beeinträchtigen und damit Schilddrüsenerkrankungen und weitere gesundheitliche Probleme verursachen3). Eine angemessene Jodaufnahme ist besonders während der Schwangerschaft, Stillzeit und frühen Kindheit wichtig, da Jodmangel die Entwicklung beeinträchtigen kann3,4).

Die Korrelation zwischen Jodaufnahme und Schilddrüsenfunktion ist U-förmig: Störungen werden sowohl bei ungenügender als auch bei übermässiger Aufnahme beobachtet. Die Synthese des Schilddrüsenhormons ist gut reguliert, um eine ausreichende Konzentrationen zu gewährleisten, auch wenn die Jodaufnahme von Tag zu Tag variiert. Kinder und Erwachsene speichern Jod in der Schilddrüse und diese Reserve wird während Perioden mit geringer Aufnahme verwendet. Säuglinge haben – im Vergleich mit älteren Kindern und Erwachsenen – eine höhere Schilddrüsenhormon-Produktion pro kg Körpergewicht und haben deshalb auch einen höheren Jodbedarf. Säuglinge werden jedoch mit minimalen Jodvorräten geboren, die nur wenige Tage reichen. Jod muss deshalb mit der Muttermilch (oder Säuglingsnahrung) konstant zugeführt werden.

Das Risiko für Schilddrüsenfunktionsstörungen und deren Konsequenzen,hängt vom Grad und der Dauer des Jodmangels ab. Bei länger dauernder sehr niedriger Jodzufuhr steigt die Schilddrüsen-Jodaufnahme sowie das T3/T4-Verhältnis und die Umwandlung von T4 zu T3 auf zellulärer Ebene. Schwerer Jodmangel ist mit erhöhten Serumkonzentrationen von Thyroglobulin (Tg) und Thyreoidea-stimulierenden Hormon (TSH) sowie niedrigem T4 verbunden, während T3 oft normal bleibt. Bevölkerungsgruppen, die von schwerem Jodmangel betroffen sind, haben eine hohe Prävalenz an Struma und klinischer Hypothyreose. Bei mittelschwerem Jodmangel kann TSH als adaptiver Mechanismus zur Aufrechterhaltung einer normalen oder leicht erniedrigten T4-Serumkonzentration leicht erhöht sein.

Bei leichtem Jodmangel erhöht sich die Tg-Konzentration, TSH und T4 bleiben in der Regel aber im normalen Bereich. Leichter Jodmangel ist jedoch ein anerkannter Risikofaktor für Schilddrüsenerkrankungen bei Erwachsenen. Epidemiologische Studien, die den Zusammenhang zwischen leichtem Jodmangel und Schilddrüsenerkrankungen bei pädiatrischen Populationen untersuchen, gibt es jedoch nur wenige.

Jodmangel kann sowohl beim Föten während der Schwangerschaft als auch beim Säugling nach der Geburt auftreten3,4). Die Folgen für die Gehirnentwicklung können daher kombiniert prä- und postnatal entstehen. Schwerer Jodmangel während der Schwangerschaft, der zu fetaler Hypothyreose in der Gebärmutter führt, kann neurologische und kognitive Defizite verursachen, einschliesslich massiv reduziertem IQ im Sinne eines Kretinismus4), der in der Schweiz in der Vergangenheit endemisch vorkam2).

Die Auswirkungen eines leichten Jodmangels auf das Gehirn und die Entwicklung des Kindes sind unklar4). Eine neuere randomisierte, kontrollierte Studie über pränatale Jodsubstitution bei leichtem Jodmangel in der Schwangerschaft fand keine langfristigen Vorteile der Jodsubstitution für die kognitive Entwicklung von Säuglingen und Kindern, gemessen mit Standard-Entwicklungstests im Alter von 1, 2 sowie 5-6 Jahren5). Auch nach der Geburt kann eine Hypothyreose die Entwicklung des Kleinhirns, sowie die Entwicklung der Sprache und verbalen Fähigkeiten beeinträchtigen, die vorliegenden Daten dazu sind jedoch spärlich. Interventionsstudien berichten über einen Zusammenhang zwischen Jodmangel und kognitiver Funktion im Kindergarten- und Schulalter, aber auch dazu gibt es nur wenig Daten3).

Empfehlungen für die tägliche Jodzufuhr

Die von der WHO empfohlene tägliche Jodzufuhr ist in der Tabelle 1 aufgelistet1). Die aktuell empfohlene Jodmenge bei Säuglingen während den ersten 6 Lebensmonaten sind jedoch nicht gut dokumentiert. Aus diesem Grund haben wir vor Kurzem eine randomisierte, doppelblinde Dosis-Wirkungs-Studie bei 2-5 Monate alten Säuglingen in der Schweiz durchgeführt, mit dem Ziel, Aufnahme, Retention und Ausscheidung von Jod bei unterschiedlicher Jodzufuhr zu bestimmen6). Unsere Studie hat gezeigt, dass Säuglinge eine durchschnittliche Jodaufnahme von 72 µg/Tag (10.6 µg/kg/Tag) benötigen, um in den ersten 6 Lebensmonaten einen angemessenen Jodstatus zu erreichen. Wir schlagen deshalb eine Referenzwert von 72 µg/Tag (EAR, estimated average requirement) für 0-6 Monate alte Säuglinge vor. Diese Menge ist kleiner als die aktuellen Empfehlungen.

Tabelle 1. WHO-Empfehlungen für die tägliche Jodzufuhr1).

Empfehlungen für Lebensmittelwahl zur ausreichenden Zufuhr von Jod sind in untenstehender Box 1 auflistet7).

Erwachsene und Kinder

Damit eine ausreichende Zufuhr von Jod sichergestellt ist, braucht es Produkte, die mit jodiertem Speisesalz hergestellt wurden. Folgende Tipps können helfen, die Jodzufuhr zu verbessern:

  • Täglich 3 Portionen Milch oder Milchprodukte konsumieren (1 Portion entspricht bei Erwachsenen 2 dl Milch oder 150 bis 200 g Joghurt, Quark, Hüttenkäse oder 30 g Hartkäse oder 60 g Weichkäse).
  • Jodiertes Speisesalz in der Küche und bei Tisch verwenden.
  • Halbfertig- und Fertiggerichte, Bouillon, Backwaren und Fleischerzeugnisse einkaufen, die mit jodiertem Speisesalz hergestellt sind. Lebensmittel, die jodiertes Speisesalz enthalten, tragen im Zutatenverzeichnis Hinweis «jodiertes Speisesalz/Kochsalz/Salz» oder «Speisesalz/Kochsalz/Salz jodiert». In Restaurants und Kantinen sowie beim Bäcker und Metzger kann nachgefragt werden.
  • Regelmässiger Konsum von Meeresfischen.

Empfehlungen für Säuglinge und Kleinkinder

  • Bei Kindern, die gestillt werden, ist eine ausreichende Versorgung der Mutter mit Jod Voraussetzung. Sämtliches Jod, welches der Säugling für seine eigene Hormonbildung braucht, kann er – wenn er voll gestillt wird – nur über die Muttermilch beziehen.
  • Bei Säuglingen, die nicht gestillt werden, geschieht die Jodversorgung über die Säuglingsanfangsnahrung. Diese Produkte sind in der Schweiz gemäss Verordnung über Lebensmittel für Personen mit besonderem Ernährungsbedarf mit Jod angereichert.
  • Nach der Einführung von Beikost erhält der Säugling weiterhin Muttermilch und/oder Säuglingsnahrung. Als Beikost sollen regelmässig jodhaltige Lebensmittel (wie z.B. Fisch oder Eier) verwendet werden.
  • Nach dem ersten Geburtstag sollte für die Zubereitung der Mahlzeiten jodiertes Salz verwendet werden.

Box 1. Empfehlungen des BLV für die Zufuhr von Jod7)

Biomarker des Jodstatus

Jodkonzentration im Urin und in der Muttermilch

Der Jodstatus in der Bevölkerung wird in erster Linie in epidemiologischen Studien durch Messung der Jodkonzentration im Urin bestimmt1). Jod aus der Ernährung wird zu ca. 90% innerhalb von 24 Stunden im Urin ausgeschieden; die Urinkonzentration spiegelt die aktuelle Jodaufnahme wieder. Jodmangel bei 6-12-jährigen Kindern und Erwachsenen ist definiert als mediane Jodkonzentration im Urin von <100 µg/L (bei Schwangeren bei <150 µg/L)1). Der gleiche Grenzwert wird bei Säuglingen verwendet1), aber Säuglinge haben ein geringeres Urinvolumen und dieser WHO-Grenzwert ist wahrscheinlich zu niedrig und unterschätzt dadurch Jodmangel in diesem Alter.

Die Jodkonzentration im Urin unterliegt einer erheblichen intra- und interindividuellen Variabilität, hauptsächlich aufgrund grosser Schwankungen der Jodzufuhr in der Nahrung und des Konsums vom Flüssigkeit8). Jod, das im Urin gemessen wird, sollte daher nicht zur Beurteilung des Jodstatus auf individueller Ebene verwendet werden, es sei denn, dass wiederholte Urinproben über mindestens 10 Tage gesammelt werden können.

Die Jodkonzentration in der Muttermilch ist der zuverlässigste Biomarker des Jodstatus bei stillenden Frauen, obwohl auch dieser Marker stark von der Jodzufuhr abhängig ist9). Wie bei der Jodkonzentration im Urin, ist auch die Jodkonzentration in der Muttermilch gut geeignet für epidemiologische Studien, aber nicht zur Bestimmung des individuellen Jodstatus.

Thyreoglobulin-Konzentration

Thyreoglobulin ist ein Protein, das von den Follikelzellen der Schilddrüse hergestellt wird, und an dem die Synthese von T4 und T3 stattfindet. Die Blutspiegel von Thyreoglobulin sind bei ausreichender Jodaufnahme niedrig, erhöhen sich jedoch bei erhöhter Schilddrüsenaktivität infolge Jodmangel oder übermässiger Jodzufuhr10). Thyreoglobulin reagiert sehr schnell auf Jodmangel und ist deshalb als Biomarker des Jodstatus einer Population geeignet. Es kann als Ergänzung zur Jodkonzentration im Urin1) verwendet werden. Thyreoglobulin kann sowohl im Serum als auch im getrockneten Vollblut auf Filterpapier (dried blood spot, DBS) bestimmt werden. Die Filterpapiertechnik ist wegen der minimalen Blutmenge und der einfachen Technik ideal für die Probenentnahme bei Säuglingen.

Aktuelle Jodversorgung der Schweizer Bevölkerung

Die Schweiz war in der Vergangenheit von mittelschwerem bis schwerem Jodmangel betroffen; in bestimmten Gebieten hatten fast alle Kinder eine Struma2). Jodiertes Salz wurde erstmals 1922 eingeführt, um Jodmangel zu verhindern2). Die dem Salz zugesetzte Jodmenge wurde schrittweise erhöht, von 3.75 auf 7.5 mg/kg im Jahr 1962, auf 15 mg/kg im Jahr 1980 und auf 20 mg/kg im Jahr 1998. Die Kochsalzjodierung wurde von den Schweizer Salinen, dem einzigen Salzproduzenten der Schweiz, effektiv umgesetzt. Jodmangel-Struma wurde mit diesen Massnahmen in der Schweiz effektiv eliminiert.

In den letzten 10 Jahren wurde jedoch eine zunehmend niedrige Jodaufnahme bei Erwachsenen, insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Alter, bei Schwangeren und stillenden Frauen, sowie bei Säuglingen beobachtet11). Die Jodkonzentration im Salz wurde daher im Januar 2014 von 20 auf 25 mg/kg weiter erhöht. In der Schweiz ist die Jodierung jedoch auf freiwilliger Basis (d. h. es gibt sowohl jodiertes als auch nicht-jodiertes Kochsalz). Die Gesetzgebung erlaubt Anreicherungen von 20 bis 40 mg/kg.

Der Jodstatus und die Auswirkungen von jodiertem Kochsalz werden in der Schweiz alle fünf Jahre in national repräsentativen Querschnittsstudien überwacht. Der Jodstatus wurde 1999, 2004, 2009 und 2015 bei Kindern im Alter von 6-12 Jahren bewertet, indem die Jodkonzentration im Urin gemessen wurde12). Alle vier Studien berichteten über eine ausreichende Jodaufnahme bei Schulkindern (Abbildung 1)1). Der Jod-Status ist bei Schulkindern unabhängig vom Alter, Knaben haben jedoch tendenziell einen besseren Jod-Status als Mädchen20). Trotz einer insgesamt ausreichenden Jodversorgung schätzt die Studie, dass 10% der Kinder eine unzureichende Jodzufuhr haben (d. h. unterhalb der EAR). Eine zu hohe Zufuhr, welche die tolerierbare obere Aufnahmemenge (UL) überstieg, konnte nicht beobachtet werden.

Abbildung 1. Mediane (95% CI) Jodurinkonzentration bei Schweizer Schulkindern (6-12 Jahre) von 1999 bis 201512). Der schattierte Bereich legt die optimale Jodzufuhr fest, entsprechend den WHO-Grenzwerten für die Jodkonzentration im Urin1). Werte, die mit verschiedenen hochgestellten Buchstaben bezeichnet sind, unterscheiden sich statistisch signifikant (P < 0.001).

Die Ergebnisse der neusten Studie deuten auf eine leichte Verbesserung der Jodaufnahme von Schulkindern im Vergleich zu den drei vorangegangenen nationalen Studien hin (Abbildung 1)12). Die mediane Jodkonzentration im Urin stieg von 120 µg/L (95% CI: 116, 124 µg/L, n=916) im Jahr 2009 auf 137 µg/L (95% CI: 131, 143 µg/L, n=729) im Jahr 2015. Dieser Anstieg kann zum Teil auf den erhöhten Salzjodgehalt von 20 mg/kg auf 25 mg/kg zurückgeführt werden. Bei Erwachsenen oder Schwangeren wurden jedoch im gleichen Zeitraum keine Veränderung des Jodstatus beobachtet12). Die mediane Jodkonzentration im Urin in diesen Bevölkerungsgruppen blieb niedrig und schwankte um den WHO-Grenzwerten, was auf eine grenzwertig unzureichende Jodaufnahme hindeutet (Abbildung 2). Die Situation ist ähnlich wie in den meisten europäischen Ländern(www.ign.org). Eine neue nationale Jod Studie bei Schulkindern hätten im April 2020 beginnen sollen, musste jedoch wegen der SARS-Cov-2 Pandemie verschoben werden.

Abbildung 2. Mediane (95% CI) Jodurinkonzentration bei Frauen im gebärfähigen Alter und Schwangeren im Jahr 201512). Der schattierte Bereich legt die optimale Jodzufuhr fest, entsprechend den WHO-Grenzwerten für die Jodkonzentration im Urin1).

Verwendung von jodiertem Kochsalz

Jodiertes Kochsalz ist die Hauptquelle von Jod in der Schweiz. Jod- und Natriumaufnahme sind positiv korreliert12). Die dem Kochsalz in der Schweiz zugesetzte Jodmenge (25 mg/kg Salz) liegt im Bereich von 20-40 mg/kg, wie es von der WHO empfohlen wird. Daten aus anderen Ländern zeigen, dass die Jodierung von Salz mit 25 mg/kg ausreicht, um den Bedarf an diätetischem Jod zu decken, wenn mehr als 90% jodiertes Kochsalz verwendet wird13). In der Schweiz ist die durchschnittliche Jodkonzentration im Urin von Kindern und Frauen jedoch nur halb so hoch wie in Ländern mit obligatorischer Kochsalzjodierung. Dies deutet auf eine unvollständige Verwendung von jodiertem Salz in der Schweiz hin.

Die Mehrheit der Haushalte in der Schweiz (über 80%) verwendet jodiertes Salz, die Lebensmittelindustrie hingegen stellt viele Produkte auch mit nicht jodiertem Salz her. Da ein Grossteil der täglichen Salzzufuhr aus verarbeiteten Lebensmitteln stammt (70-80%), besteht die Gefahr, dass die Schweizer Bevölkerung zunehmend wieder von Jodmangel betroffen sein könnte. Daten über die Verwendung von jodiertem Kochsalz in der Nahrungsmittelindustrie in der Schweiz stehen nicht zur Verfügung. Verkaufszahlen zeigen jedoch, dass im Jahr 2018 nur 60% jodiertes Kochsalz verkauft wurde (Personal communication, Schweizer Salinen AG, 2019).

Die universelle obligatorische Jodierung von Kochsalz ist das erstrebenswerte Ziel1), die Umsetzung ist jedoch eine Herausforderung. Die nationalen Regulationen und Rechtsvorschriften für Jodierung von Kochsalz variieren stark, es gibt auch keine gemeinsamen EU-Vorschriften. Viele europäische Lebensmittelhersteller entscheiden sich dafür, nicht-jodiertes Kochsalz zu verwenden, um z.B. Einfuhr und Ausfuhr ihrer Produkte zu erleichtern.

Der Salzkonsum eines Erwachsenen in der Schweiz beträgt ca. 9 g/Tag, und liegt damit deutlich über den nationalen (3.75 g/Tag) und internationalen Empfehlungen (5 g/Tag). Die geschätzte durchschnittliche tägliche Natriumzufuhr bei 6-12 Jährigen beträgt 2.4 g/Tag, was einem Salzkonsum von 6.1 g/Tag entspricht12). Auch dieser Wert übertrifft die empfohlene Salzmenge (1.9-2.75 g/Tag) deutlich (www.sge-ssn.ch). Die Schweizer Ernährungsstrategie für 2017-24 empfiehlt, die Natriumeinnahme insgesamt zu reduzieren. Wenn ausschliesslich jodiertes Kochsalz verwendet würde, wäre die Jodversorgung in der Schweiz mit dieser Reduktion nicht gefährdet. Deshalb ist es wichtig, dass die Verwendung von jodiertem Kochsalz in der Lebensmittelproduktion erhöht wird und ggf. zusätzlich der Jodgehalt in Kochsalz angepasst wird.

Milch und Milchprodukte – wichtige Nahrungsquellen für Jod bei Kindern

Kuhmilch und Milchprodukte enthalten Jod abhängig von der Tierfütterung und der Milchverarbeitung. Sie sind wichtige Nahrungsquellen für Jod in der Schweiz, insbesondere für Kinder14). Der tägliche Konsum von einem Glas Kuhmilch (0.3 L, mit einer durchschnittliche Milchjodkonzentration von 87 µg/L) würde 25 µg Jod beitragen, d. h. ein Viertel der empfohlenen täglichen Jodaufnahme für Kinder1). Kuhmilch und Milchprodukte können daher die unvollständige Abdeckung mit jodiertem Salz teilweise ausgleichen. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass biologisch hergestellte Milch weniger Jod enthält als konventionelle Milch. Milchersatzprodukte wie Hafer-, Reis- oder Mandelgetränke enthalten kein Jod. Bevölkerungsgruppen, die gar keine Kuhmilch oder Kuhmilchprodukte konsumieren, z.B. im Rahmen einer veganen Diät, haben deshalb oft eine niedrige Jodzufuhr und ein erhöhtes Risiko für Jodmangel. Eine weitere Jodquelle sind Eier. Auch Meeresfisch und Meeresfrüchte enthalten relative hohe Mengen Jod, aber der Beitrag zur Gesamtjodzufuhr ist in der Schweiz in der Regel klein aufgrund des begrenzten Konsums.

Jodstatus bei Säuglingen

Der Jodstatus von ausschliesslich gestillten Säuglingen wird vollständig durch die Jodkonzentration in der Muttermilch bestimmt. Die laktierende Brustdrüse akkumuliert und scheidet Jod sehr rasch nach der Aufnahme durch die Mutter über den Natrium-/Iodid-Symporter (NIS) in die Muttermilch aus. Die Jodkonzentration in der Muttermilch ist in erster Linie abhängig von der Jodaufnahme der Mutter.

Bei hoher Abdeckung mit jodiertem Kochsalz und entsprechend guter Jodzufuhr liegt die mittlere Muttermilchjodkonzentration typischerweise zwischen 120 und 180 µg/L, was einer durchschnittlichen Jodaufnahme bei Säuglingen von 95-140 µg/Tag und einer medianen Jodurinkonzentration bei Säuglingen von 200-400 µg/L entspricht13). In der Schweiz hingegen fanden die nationalen Studien eine niedrige mediane Muttermilchjodkonzentration von 50 µg/L und eine mediane Jodurinkonzentration bei Säuglingen von 70-100 µg/L, was auf eine mangelhafte Jodzufuhr von 40-50 µg/Tag hindeutet11). Ähnliche tiefe Werte werden aus anderen europäischen Ländern gemeldet. Säuglingsanfangsnahrungen und Folgenahrungen, die als Muttermilchersatzprodukte verwendet werden, müssen zugesetztes Jod in einer Konzentration von 15-29 µg/100 kcal enthalten. Bei nicht-gestillten Säuglingen im Alter von 2 Monaten entspricht dies 85-165 µg/Tag.

Im Alter von 4 bis 6 Monaten wird die Beikost eingeführt15). Selbstzubereitete Beikost, z. B. Getreidebreie oder püriertes Obst und Gemüse, enthält in der Regel nur wenig Jod. Pädiatrische Richtlinien empfehlen, die Beikost im ersten Lebensjahr nicht zusätzlich zu salzen, und unverdünnte Kuhmilch erst nach 12 Monaten als Getränk einzuführen15). Die Jodzufuhr kann deshalb in dieser Altersgruppe ungenügend sein, insbesondere bei niedrigem Muttermilchkonsum oder bei geringer Muttermilchjodkonzentration. Eine nationale Studie berichtet über eine niedrige Jodzufuhr bei 6 bis 12 Monate alten Säuglingen in der Schweiz11). Nur 57% der Säuglinge wurden nach 6 Monaten noch gestillt und im Alter von 12 Monaten waren es nur noch 18%. Die pädiatrischen Empfehlungen zur Begrenzung der Salzaufnahme im ersten Lebensjahr wurden gut befolgt. Jod-angereicherte Lebensmittel können eine zentrale Rolle in der Jodversorgung von Säuglingen spielen. Hersteller können Jod auf freiwilliger Basis zu Beikostprodukten hinzufügen. Der Jodgehalt von Folgemilchen für 6-12 Monate alte Säuglinge ist hingegen gesetzlich geregelt. Der gemessene Jodgehalt entspricht jedoch nicht immer dem deklarierten Jodgehalt11). Der Verzehr von Milch und Milchprodukten kann als gute Jodquelle nach 12 Monaten gefördert werden.

Zusammenfassung

Die langjährige und erfolgreiche Strategie der Kochsalzjodierung ist nach wie vor essentiell, um eine ausreichende Jodzufuhr in der Schweiz zu gewährleisten. Die Verwendung von jodiertem Kochsalz in der Lebensmittelproduktion ist jedoch ungenügend und muss verbessert werden. Milch und Milchprodukte sind wichtige Nahrungsquellen für Jod. Kinder im Schulalter haben in der Schweiz eine ausreichende Jodzufuhr, während die Jodzufuhr bei Frauen im reproduktiven Alter, Schwangeren und stillenden Frauen nur grenzwertig ist. Die Muttermilchjodkonzentration bei stillenden Frauen ist niedrig, und Säuglinge haben deshalb ein erhöhtes Risiko für einen Jodmangel.

Referenzen

1. WHO, UNICEF, ICCIDD. Assessment of iodine deficiency disorders and monitoring their elimination. A guide for programme managers, 3rd edition. Geneva: World Health Organization, 2007.

2. Bürgi H, Supersaxo Z, Selz B. Iodine deficiency diseases in Switzerland one hundred years after Theodor Kocher’s survey: A historical review with some new goitre prevalence data. Acta Endocrinol (Copenh) 1990; 123(6):577-90.

3. Zimmermann MB. The role of iodine in human growth and development. Semin Cell Dev Biol 2011; 22(6):645-52.

4. Pearce EN, Lazarus JH, Moreno-Reyes R, Zimmermann MB. Consequences of iodine deficiency and excess in pregnant women: an overview of current knowns and unknowns. Am J Clin Nutr 2016; 104 Suppl 3:918S-23S.

5. Gowachirapant S, Jaiswal N, Melse-Boonstra A, Galetti V, Stinca S, Mackenzie I et al. Effect of iodine supplementation in pregnant women on child neurodevelopment: A randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2017;5(11):853-63.

6. Dold S, Zimmermann MB, Baumgartner J, Davaz T, Galetti V, Braegger C et al. A dose-response crossover iodine balance study to determine iodine requirements in early infancy. Am J Clin Nutr 2016; 104(3):620-8.

7. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. Available at: https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/ernaehrung/empfehlungen-jod.pdf.download.pdf/Empfehlungen_Jod_DE.pdf (Accessed: 27 March 2020).

8. König F, Andersson M, Hotz K, Aeberli I, Zimmermann MB. Ten repeat collections for urinary iodine from spot samples or 24-h samples are needed to reliably estimate individual iodine status in women. J Nutr 2011; 141(11):2049-54.

9. Dold S, Zimmermann MB, Aboussad A, Cherkaoui M, Jia Q, Jukic T et al. Breast milk iodine concentration is a more accurate biomarker of iodine status than urinary iodine concentration in exclusively breastfeeding women. J Nutr 2017; 147(4):528-37.

10. Ma ZF, Skeaff SA. Thyroglobulin as a biomarker of iodine deficiency: A review. Thyroid 2014; 24(8):1195-209.

11. Andersson M, Aeberli I, Wust N, Piacenza AM, Bucher T, Henschen I et al. The Swiss iodized salt program provides adequate iodine for school children and pregnant women, but weaning infants not receiving iodine-containing complementary foods as well as their mothers are iodine deficient. J Clin Endocrinol Metab 2010; 95(12):5217-24.

12. Andersson M, Hunziker S, Fingerhut R, Zimmermann MB, Herter-Aeberli I. Effectiveness of increased salt iodine concentration on iodine status: trend analysis of cross-sectional national studies in Switzerland. Eur J Nutr 2020; 59(2):581-93.

13. Dold S, Zimmermann MB, Jukic T, Kusic Z, Jia Q, Sang Z et al. Universal salt iodization provides sufficient dietary iodine to achieve adequate iodine nutrition during the first 1000 days: A cross-sectional multicenter study. J Nutr 2018; 148(4):587-98.

14. van der Reijden OL, Zimmermann MB, Galetti V. Iodine in dairy milk: Sources, concentrations and importance to human health. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2017; 31(4):385-95.

15. Fewtrell M, Bronsky J, Campoy C, Domellof M, Embleton N, Fidler Mis N et al. Complementary feeding: A position paper by the European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition (ESPGHAN) Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2017; 64(1):119-32.

Aufgrund der Limitierung der Anzahl Literaturangaben sind nicht alle Aussagen referenziert. Eine ausführliche Literaturliste ist bei der Autorin erhältlich.

Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr.  Maria Andersson Abteilung Gastroenterologie und Ernährung, Universitätskinderspital Zürich - Eleonorenstiftung

Prof. Dr. med.  Christian P. Braegger Abteilung Gastroenterologie und Ernährung, Universitäts-Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung