Trotz der Bedeutung dieser Problematik sind in der Schweiz wenige Daten zu Misshandlung und Gewalt gegenüber Minderjährigen verfügbar. Insbesondere hat man auf diesem Gebiet nur sehr selten Zugang zu katamnestischen Angaben. Daten, die belegen, wie misshandelte Kinder sich infolge des Eingreifens des Kinderarztes oder anderer Fachpersonen entwickeln, sind aber wichtig, um den Einfluss und die Bedeutung dieser Interventionen zu beurteilen. Diese Elemente können dazu beitragen, Pädiater bezüglich der Bedeutung von Früherkennung in der Praxis zu sensibilisieren, und die Aufmerksamkeit der Kinderärzte wie der Weiter- und Fortbildungsverantwortlichen auf die immer noch aktuelle Problematik der Kindsmisshandlung wach zu halten.
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deutung von Früherkennung in der Praxis zu
sensibi\bisieren, und die Aufmerksamkeit der
Kinderärzte wie der Weiter- und Fortbi\b-
dungsverantwort\bichen auf die immer noch
aktue\b\be Prob\bematik der Kindsmisshand –
\bung wach zu ha\bten.
1999 wurde durch die Unité de prévention
des Universitätsinstitut für Sozia\b- und
Präventivmedizin (IUMSP) und die Medizi –
nische Universitätspo\bik\binik (PMU) eine
Untersuchung zur Kindsmisshand\bung im
Kanton Waadt durchgeführ t. Diese Unter –
suchung er\baubte es, über ein Netz von
«Sentine\b\ba» – Pädiatern zu eva\buieren, in
we\bchem Ausmass die Empfeh\bungen des
Bundesrates umgesetzt wurden, die An –
zah\b der durch Fachpersonen während ei –
nem Zeitraum von 3 Monaten erkannten,
misshande\bten oder misshand\bungsgefähr –
deten Kinder zu er fassen, und sch\biess\bich
Durchführbarkeit und Sinn einer systema –
tischen Datensamm\bung zu überprüfen.
Während 6 Monaten haben sich 17, über
den ganzen Kanton Waadt vertei\bte Kinder –
ärzte auf freiwi\b\biger Basis betei\bigt, und
bei jedem er wiesenen oder verdächtigen
Misshand\bungsfa\b\b ein Untersuchungspro –
toko\b\b ausgefü\b\bt. Es wurden 30 derar tige
Protoko\b\be erste\b\bt und ansch\biessend
durch das Untersuchungsteam ergänzt
und ana\bysier t
3).
Diese Studie wurde 2009–2010 im Rahmen
einer Masterarbeit in Humanmedizin an der
medizinischen Faku\btät Lausanne durchge –
führt und so\b\bte den Ver\bauf der 1999 er-
fassten Kinder dokumentieren. Es hande\bt
sich um die erste schweizerische, pädiatri –
sche Studie zur \bangfristigen Entwick\bung
von misshande\bten oder misshand\bungsge –
fährdeten Kindern.
Material und Methode
Nach Va\bidierung des Forschungsprotoko\b\bs
durch die ethische Kommission der medizi –
nischen Faku\btät der Schu\be für Bio\bogie
und Medizin der Universität Lausanne,
wurden 2009 die Literatur durchgesehen
und die 30 Dossiers aus dem Jahre 1999
durch eine Person ana\bysiert, die nicht an
der ersten Studie tei\bgenommen hatte (Er-
stautor). Es wurden fo\bgende Informationen
zu den Kindern untersucht: Umstände, die
zur Eröffnung eines Dossiers führten, Risi –
kofaktoren, fami\biäre Bedingungen, Profi\b
des Täters, Profi\b des Minderjährigen, Ort
\binführung
Die schweren Auswirkungen auf die körper –
\biche, geistige und sozia\be Gesundheit des
Individuums, auf Fami\bie und Gese\b\bschaft,
machen Kindsmisshand\bung zu einem ge –
sundheitspo\bitischen Faktor
1), 2) .
Trotz der Bedeutung dieser Prob\bematik sind
in der Schweiz wenige Daten zu Misshand –
\bung und Gewa\bt gegenüber Minderjährigen
verfügbar. Insbesondere hat man auf diesem
Gebiet nur sehr se\bten Zugang zu katamnes –
tischen Angaben. Daten, die be\begen, wie
misshande\bte Kinder sich info\bge des Eingrei –
fens des Kinderarztes oder anderer Fachper –
sonen entwicke\bn, sind aber wichtig, um den
Einfluss und die Bedeutung dieser Interven –
tionen zu beurtei\ben. Diese E\bemente können
dazu beitragen, Pädiater bezüg\bich der Be –
10-Jahres-Bilanz einer Serie von miss-
handelten oder einem signifi\banten
Misshandlungsrisi\bo ausgesetzten Kin –
dern und Auswir\bung auf die Pädiater-
Patienten-Beziehung
Géra\bdine Trox\ber*, Marie- C\baude Hofner**, Nico\bas Lutz***Übersetzung: Rudo\bf Sch\baepfer, La Chaux- de – Fonds
* Medizinstudentin im 6. Ausbi\bdungsjahr an der
Medizinischen Faku\btät Lausanne
** Médecin associée, MER, Unité de médecine des
vio\bences, Centre Universitaire Romand de Méde –
cine Léga\be, Lausanne
*** Médecin adjoint, MER, Ser vice de chirurgie pédia –
trique, Centre Hospita\bier Universitaire Vaudois,
Lausanne
Zusammenfassung
Einführung
Im Jahr 1999 wurden, im Rahmen einer
epidemiologischen \btudie zur Kindes –
misshandlung im Kanton Waadt, durch 17
\bentinella-Pädiater 30 misshandelte oder
einem signifikanten Misshandlungsrisiko
ausgesetzte Kinder identifizier t. Mit
dieser 10 Jahre später unternommenen
\btudie sollen die Daten dieser Kinder und
ihr Werden, sowie die Erfahrungen der
Pädiater untersucht werden.
Methode
Die \btudie wurde als Masterarbeit durch –
geführt, durch \btudium der Krankenge –
schichten, telephonische Kontakte und
Befragung der Pädiater. Die anfänglichen
Angaben die Kinder betreffend, Risiko –
faktoren und Art der Misshandlung, sozi –
ale und Familienverhältnisse sowie Ge –
richtsentscheide wurden aufgearbeitet.
Für das Gespräch mit den Kinderärzten
wurden zwei Tabellen im \binne eines
Leitfadens für halboffene Interviews aus –
gearbeitet.
Resultate
Für 19 der 30 anfänglich gemeldeten
Kinder standen Verlaufsbeobachtungen
zur Verfügung. Bei 9 der 16 nachbetreu –
ten Kinder (56%) war der Verlauf günstig.
Prognostisch günstig erwiesen sich durch
die Mutter erfolgte Meldung, gute schuli –
sche Integration und stabile familiäre und
soziale Rahmenbedingungen. Intrafamili –
äre Konflikte, häufiger Wohnortwechsel
oder unstabile soziale Verhältnisse waren
erschwerende Faktoren. 13 Pädiater haben an der zweiten \btudie
teilgenommen. Nur in 2 Fällen wurde die
Pädiater- Eltern- Beziehung infolge der
Meldung abgebrochen. Wichtigste Hin –
dernisse waren fehlender Feedback in
Anschluss an die Meldung und \bchwierig –
keiten bei der Zusammenarbeit mit den
übrigen Fachpersonen.
Schlussfolgerungen
Die Kinderarzt- Eltern- Beziehung wurde
nur selten durch die Fallmeldung beein –
trächtigt. Die Kinderärzte spielten bei
Erfassen und Betreuung der einer Miss –
handlung ausgeset zten Kinder eine
\bchlüsselrolle. Als notwendig erweist
sich eine bessere Kommunikation zwi –
schen den verschiedenen beteiligten
Fachpersonen. Allein der günstige Ver –
lauf bei etwas mehr als der Hälfte der
Fälle, rechtfertigt die von den verschie –
denen Fachpersonen erbrachten An –
strengungen.
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dazu, haben Konflikte unter den E\btern in 4
der 7 ungünstig ver\baufenen Situationen die
Lebensbedingungen der Kinder versch\bech-
tert und eine harmonische Betreuung ver-
hindert. Günstig war der Ver\bauf auch da,
wo gute schu\bische Rahmenbedingungen es
den Kindern trotz des er\bebten Traumas
er\baubten, die Schu\be unter optima\ben Be –
dingungen zu besuchen. Nach Ansicht der
Kinderärzte hatten diese Kinder im Ver\bau –
fe ihres Wachstums weniger psychoaffekti –
ve Störungen.
In a\b\ben Fä\b\ben, wo sich die Entwick\bung des
Kindes ungünstig gesta\btete, wurde eine
grosse Zah\b Risikofaktoren festgeste\b\bt, wie
psychiatrische Krankheiten oder intrafami –
\biäre Gewa\bt, Suizidversuche, A\bkoho\bmiss –
brauch, Mange\b an Zuneigung, Adoption
oder beschränktes inte\b\bektue\b\bes Niveau
der E\btern. In 8 Fä\b\ben erwiesen sich häufige
Wohnortwechse\b und ein unstetes fami\biä –
res Umfe\bd ebenfa\b\bs a\bs Hindernis für eine
konstruktive Betreuung des Kindes. Zu ei –
nem Gerichtsentscheid kam es in der Hä\bf –
te a\b\ber Fä\b\be, unabhängig vom weiteren
Ver\bauf. Es konnte kein Zusammenhang
zwischen der Schwere des Tatbestandes
und der Resi\bienz des Kindes festgeste\b\bt
werden.
Kinderärzte
13 der 17 Sentine\b\ba-Pädiater haben sich an
der Studie betei\bigt. Ein Pädiater im Ruhe –
stand und ein weiterer, nunmehr in A\bgerien
tätig, wurden nicht mehr kontaktiert. Zwei
Kinderärzte haben die Tei\bnahme abge –
und Art der Misshand\bung, Zeichen und
Symptome, sowie Stand der Dinge am Ende
der ersten Abk\bärung.
Es wurde jedem Kinderarzt ein Informati
–
onsb\batt und eine Einwi\b\bigungserk\bärung
sowie eine detai\b\bierte Beschreibung der
Studie zugeste\b\bt. Nach Erha\bt einer positi –
ven Antwort von Seiten des Kinderarztes
wurden Nachforschungen zur aktue\b\ben
Situation angeste\b\bt und mit derjenigen von
1999 verg\bichen.
Es wurden zwei ha\bboffene Interviewbögen
ausgearbeitet um einerseits zu erfahren,
wie die an der Studie betei\bigten Kinderärz –
te die Situationen er\bebt hatten und ande –
rerseits, um den Einfluss der Studie von
1999 auf die Pädiater, die keine Fä\b\be geme\b –
det hatten, zu eva\buieren. Am Ende jeder
Besprechung eines Fa\b\bes wurde der Kin –
derarzt nach seinem a\b\bgemeinen Eindruck
zur Entwick\bung des betreffenden Kindes
gefragt. A\b\be Kinderärzte haben ihrem per-
sön\bichen Er\beben Ausdruck gegeben und
die Situation in Ansch\buss an die Me\bdung
genere\b\b beurtei\bt. Die Entwick\bung eines
Kindes wurde a\bs günstig eingestuft, wenn
die Beurtei\bung der Situation durch den
Pädiater positiv und das Kind ausser Gefahr
war, und der Täter sich dem Kind nicht mehr
nähern dur f te. Feh\bender Gerichtsent –
scheid zugunsten des Kindes, psychsozia\b
weiterhin ungünstige Verhä\btnisse und eine
negative Beurtei\bung durch den Kinderarzt
wurden a\bs ungünstige Entwick\bung gewer-
tet. Ein Fa\b\b wurde a\bs abgesch\bossen be -trachtet, wenn die juristischen Fragen ge
–
k\bärt und die ärzt\bichsozia\be Betreuung
gerege\bt waren (Kinderschutz, Vormund –
schaft, Sorgerecht, psychosozia\be Hi\bfe,
Aufsicht, Besuchsrecht usw.), das Kind die
pädiatrische A\btersgrenze erreicht hatte
oder umgezogen war. Die Besprechungen
wurden persön\bich oder te\befonisch durch –
geführt.
Die Auswertung der gesamme\bten Informa –
tionen fand durch eine qua\bitative und im
Wesent\bichen deskriptive Methode statt.
Resultate
Kinder
Es konnten Informationen zu 19 der 30
Kinder gesamme\bt werden. Der Beobach –
tungsver\bauf ist in Abb. 1 zusammenge –
fasst. In 2 Fä\b\ben haben die E\btern die Bezie –
hung zum Kinderarzt in Ansch\buss an die
Me\bdung abgebrochen. In den 4 weiterhin
vom Kinderarzt betreuten Fä\b\ben wurde in
einem Fa\b\b Misshand\bung ausgesch\bossen,
in einem weiteren, ein behindertes Kind
betreffend, konnte die fami\biäre Situation
stabi\bisiert werden, in den 2 übrigen wurde
der ausserha\bb der Fami\bie \bebende Täter
vom Kinde fern geha\bten. Der Ver\bauf war
bei 9 Kindern (56%) in Ansch\buss an die
Me\bdung günstig, während er sich bei 7
Kindern (44%) versch\bimmerte. In 6 der 9
günstigen Fä\b\ben hatte sich die Mutter an
den Kinderarzt gewandt. Von der Fami\bie
besonders gut umsorgte Kinder zeigten
eine günstige Entwick\bung. Im Gegensatz
Abbildung 1: Ver\bauf der 1999 geme\bdeten 30 Misshand\bungsfä\b\be
* 1 Kind an Psychiater gewiesen, keine Ver\baufsangaben. 2 Kinder nach Abbruch der Pädiater- E\btern – Beziehung weggezogen
** In 1 Fa\b\b Misshand\bung ausgesch\bossen, 2 Täter identifiziert und Kontakt zu den Kindern untersagt
*** 1 Kind mit neuromotorischem Entwick\bungsrückstand
Günstiger Ver\bauf**
N = 3
Aus den Augen ver\boren* N = 3
Keine Informationen verfügbar N = 11 Informationen verfügbarN = 19
Nachbetreuung beim Kinderarzt N = 4
30 Fä\b\be
Nachbetreuung beendetN = 12
Ungünstiger Ver\bauf*** N = 1 Günstiger Ver\baufN = 6 Ungünstiger Ver\bauf N = 6
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Misshand\bung zu suchen und Wachstum
und Entwick\bung zu verfo\bgen.
Die Mehrzah\b der Kinderärzte schätzte,
dass sie durch die Betei\bigung an dieser
Studie vermehrt auf die Prob\bematik der
Kindsmisshand\bung aufmerksam wurden.
Die einfache Tatsache, sie dazu zu intervie-
wen, war an sich schon von Nutzen.
Obwoh\b die Fa\b\bme\bdung immer durch den
Kinderarzt stattfand, wurde die E\btern-
Kinderarzt-Beziehung nur in zwei Fä\b\ben
abgebrochen. Bei den 26 nicht mehr vom
Kinderarzt betreuten Kindern war die Arzt-
Patienten-Beziehung in den meisten Fä\b\ben
a\btersha\bber oder wegen Wohnortwechse\b
unterbrochen worden. Die betroffenen Kin –
derärzte hatten nicht das Gefüh\b, die Bezie –
hung sei vorzeitig info\bge der Me\bdung
abgebrochen worden. Die meisten bestä –
tigten, weiterhin gute Beziehungen unter-
ha\bten und ihre Patienten noch Jahre nach
der Me\bdung, bis an die pädiatrische A\bters –
grenze weiterbetreut zu haben.
Diskussion
Wie schon in der ersten Studie festgeha\bten,
widerspiege\bn die meisten Misshand\bungs –
fä\b\be eine Mischung von physischer, sexue\b –
\ber und psycho\bogischer Misshand\bung und/
\behnt. Die Angaben zu den 13 an der Studie
tei\bnehmenden Kinderärzte sind in
Abb. 2
dargeste\b\bt.
A\b\be Kinderärzte haben erk\bärt, der Aufbau
eines Betreuungsnetzes um das misshan –
de\bte Kind habe vie\b Energie gekostet. Der
a\b\bgemeine Eindruck war, dass die betei\big –
ten Fachpersonen nicht immer genügend
vernetzt waren, um ihre Interventionen gut
zu koordinieren. Sie bek\bagten sich über
mange\bnde Rückme\bdung, insbesondere
wenn das Kind para\b\be\b durch andere medi –
zinische Spezia\bisten betreut wurde. In
einem Fa\b\b wurde die Diagnose Kindsmiss –
hand\bung durch wiederho\bte Harnwegsin –
fekte bei vesikouretera\bem Reflux er –
schwert. Die Kinderärzte bestätigten auch,
dass die Diagnose Kindsmisshand\bung auch
durch \baufende Scheidungsverfahren er-
schwert wurde.
Wenn auch in diesen 10 Jahren die Anzah\b
der An\baufste\b\ben zur Betreuung von miss –
hande\bten Kindern zugenommen hat, haben
die Kinderärzte manchma\b das Gefüh\b, am
Rande des Beziehungsnetzes zu stehen. Im
Laufe der Besprechungen erinnerten sie an
die Bedeutung k\binischer Kontro\b\ben und
rege\bmässiger Kontakte mit den E\btern in
der Praxis, die es ermög\bichen, den Körper
ganz zu untersuchen, nach Zeichen von oder Vernach\bässigung
1). Zusätz\bich zur
Schaffung eines Beziehungsnetzes und von
Kinderschutzmassnahmen, wurde in der
Hä\bfte der Fä\b\be ein Gerichtsentscheid aus –
gesprochen. Dass der Ver\bauf bei 9 von 13
Kindern günstig war, ist erfreu\bich, aber noch
ungenügend. Die Vie\bfa\bt der Risikofaktoren
komp\biziert in gewissen Fä\b\ben die Betreuung
der betroffenen Kinder. Diese Risikofaktoren
erweisen sich a\bs prognostisch ungünstig.
A\b\be Kinderärzte sagten aus, sich dessen
bewusst gewesen zu sein. Eine besondere
Betreuung dieser Fä\b\be wurde jedoch nicht
ins Auge gefasst. Dieser Frageste\b\bung könn –
te noch nachgegangen werden.
Im Ver\bauf der Studie haben die Kinderärzte
verschiedene Vorsch\bäge gemacht, und
auch Wünsche für ihre täg\bich Praxis ange –
bracht. Ein Grosstei\b der vorgebrachten
Fragen und Über\begungen finden sich auch
in der Literatur.
Hauptsorge der Kinderärzte waren die
Schwierigkeiten, mit anderen An\baufste\b\ben
zusammenzuarbeiten und das Feh\ben von
Rückme\bdungen im Ansch\buss an eine Me\b –
dung. Die Komp\bexität dieser Zusammenar –
beit wird auch in verschiedenen amerikani –
schen, mit Hi\bfe von praktizierenden
Kinderärzten durchgeführten Studien er-
wähnt. Auch in anderen Ländern bedauern
die Kinderärzte die feh\bende Verfügbarkeit
und manchma\b unangebrachten Antworten
der betroffenen Kinderschutzste\b\ben
4). Das
Vorhandensein eines Netzes genügt nicht,
es muss auch funktionieren.
Die beiden Pädiater, we\bche die Mitarbeit
ab\behnten, gehörten 1999 zu den am meis –
ten motivierten. Aus den angeführten Be –
gründungen haben die Autoren gesch\bos –
sen, dass Entmutigung, Müdigkeit und
feh\bende Ressourcen nach vie\bjährigem
Einsatz Grund ihrer Verzichtes waren.
Mehrere Autoren neuerer Arbeiten suchen
nach Mög\bichkeiten, Kinderärzte für die
Prob\bematik der Kindsmisshand\bung zu
sensibi\bisieren. Sie ste\b\ben a\b\be mög\bichen
Über\begungen zu Warnzeichen an, die zu
beachten sind, zur Art und Weise, eine
umfassende Anamnese aufzunehmen und
k\binische Untersuchung durchzuführen, zur
Mög\bichkeit, in komp\bizierten Fä\b\ben Exper-
ten zuzuziehen oder zur Notwendigkeit, mit
Hi\bfe k\binischer Darste\b\bungen auf die Prob –
\bematik aufmerksam zu machen
5)–7) . A\b\be
Abbildung 2: An der Studie 2009 betei\bigte Kinderärzte, aufgesch\büsse\bt nach Tätigkeit und
Anzah\b betreuter Fä\b\be
17 Pädiater im Kanton Waadt
1 Pädiater ins Aus\band gezogen 16 angefragte Pädiater
3 nicht teilnehmende Pädiater
• 1 Pädiater im Ruhestand,
0 Fä\b\be
• 2 aktive Pädiater, 5 Fä\b\be
10 aktive Pädiater, 25 Fä\b\be 3 aktive Pädiater, keine Fä\b\be
5 aktive Pädiater, Besprechung
in der Praxis
• 2 Pädiater, je 3 Fä\b\be
• 2 Pädiater, je 2 Fä\b\be
• 1 Pädiater, 8 Fä\b\be 5 Pädiater, Besprechung per
Te\befon
• 3 aktive Pädiater, je 1 Fa\b\b
• 2 Pädiater im Ruhestand,
je 2 Fä\b\be
13 teilnehmende Pädiater,
25 Fä\b\be
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Vol. 22 Nr. 4 2011 F o r t b i l d u n g
diese Aspekte wurden auch von den Kinder-
ärzten, die an unserer Studie tei\bnahmen,
erwähnt, in der Mehrzah\b kamen sie jedoch
zum Sch\buss, dass die wesent\bichste Hi\bfe
zur Aufdeckung von Misshand\bungsfä\b\ben in
ihrer eigenen, a\bs praktischer Arzt erworbe –
nen Erfahrung \biegt.
Obwoh\b die Me\bdung immer durch den Kin –
derarzt stattfand, wurde im Rahmen unserer
Studie die Kinderarzt-E\btern-Beziehung in der
Mehrheit der Fä\b\be nicht gefährdet. Diese
Prob\bematik ist eine häufige Befürchtung des
praktizierenden Arztes
4). Unsere Studie so\b\bte
es er\bauben, die behande\bnden Ärzte, die im
Kanton Waadt Fä\b\be von Kindsmisshand\bung
me\bden, in Bezug auf die Erha\btung ihrer Arzt-
Patient-E\btern-Beziehung zu beruhigen.
Schlussfolgerung
Zah\breiche Arbeiten unterstreichen die
grund\begende Ro\b\be des Kinderarztes bei
der Früherkennung von Kindsmisshand –
\bung
4), 6), 7) . Unsere Untersuchung bestätigt,
dass die Waadt\bänder Kinderärzte so\bche
Fä\b\be erkannt haben und wertvo\b\be und we –
sent\biche Informationen zur Betreuung
samme\bn konnten. Über die Hä\bfte der 1999
geme\bdeten Fä\b\be haben einen günstigen
Ver\bauf genommen. Dieses Ergebnis ist
nicht zu vernach\bässigen und zeigt, dass
der grosse Einsatz der betei\bigten Fach\beu –
te nicht nutz\bos ist. Notwendig ist eine
verbesserte Kommunikation unter den ver-
schiedenen, am Netz betei\bigten Personen.
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Korrespondenzadresse
Marie- C\baude Hofner, MD, MER
Médecin associée
Département Universitaire de Médecine et
de Santé Communautaire
Unité de Médecine des Vio\bences
Centre Universitaire Romand de Médecine
Léga\be
Rue César Roux 19
CH-1003 Lausanne
marie-c\baude.hofner@chuv.ch
Weitere Informationen
Autoren/Autorinnen
Géraldine Troxler Marie-Claude Hofner , Médecin associée Département Universitaire de Médecine et de Santé Communautaire Unité de Médecine des Violences Centre Universitaire Romand de Médecine Légale Nicolas Lutz Andreas Nydegger