Dr. med. Dörthe Harms Huser
Kinderschutzfälle an schweizerischen Kinderkliniken: Erneut mehr Meldungen von Misshandlungen an Kindern und Jugendlichen
Durch die Fachgruppe Kinderschutz wurden im Jahr 2022 wieder alle Kinder und Jugendlichen erfasst, die wegen einer Form von (vermuteter) Misshandlung in einer Schweizer Kinderklinik betreut oder behandelt wurden. Die Erfassung wurde nun zum 14. Mal standardisiert durchgeführt und die vorliegenden Daten basieren auf den Rückmeldungen von 20 Klinken, die sich allesamt bereits in den Vorjahren an der Erhebung beteiligt haben.
Einschlusskriterien
Alter 0 – 17 Jahre
Direkte ambulante oder stationäre Betreuung
Vermutete oder erwiesene Misshandlung:Psychische Misshandlung (durch Miterleben Häuslicher Gewalt oder andere)
Münchhausen Stellvertreter Syndrom)
Die ebenfalls in grosser Anzahl von einigen Kinderschutzgruppen geleisteten Beratungen von Drittpersonen oder Institutionen fliessen nicht in die Erhebung ein, um die Daten vergleichbar zu halten.
Resultate
1
Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie
Fachgruppe Kinderschutz der Schweizerischen Kinderkliniken
Baden, 22. Mai 2023 / dha
Kinderschutzfälle an schweizerischen Kinderkliniken:
Erneut mehr Meldungen von Misshandlungen an Kindern und Jugendlichen
Durch die Fachgruppe Kinderschutz wurden im Jahr 2022 wieder alle Kinder und Jugendlichen
erfasst, die wegen einer Form von (vermuteter) Misshandlung in einer Schweizer Kinderklinik
betreut oder behandelt wurden. Die Erfassung wurde nun zum 14. Mal standardisiert
durchgeführt und die vorliegenden Daten basieren auf den Rückmeldungen von 20 Klinken,
die sich allesamt bereits in den Vorjahren an der Erhebung beteiligt haben.
Einschlusskriterien
• Alter 0 – 17 Jahre
• D irekte ambulante oder stat ionäre Betreuung
• Vermutete oder erwiesene Misshandlung:
Körperliche Misshandlung
Psychische Misshandlung (durch Miterleben Häuslicher Gewalt oder andere)
Vernachlässigung
Sexueller Missbrauch
Münchhausen Stellvertreter Syndrom)
Die ebenfalls in grosser Anzahl von einigen Kinderschutzgruppen geleisteten Beratungen von
Drittpersonen oder Institutionen fliessen nicht in die Erhebung ein, um die Daten vergleichbar
zu halten.
Resultate
Gesamtzahl
Für das Jahr 2022 konnte die Daten von 20 Kliniken ausgewertet werden, die alle auch im
Vorjahr teilgenommen haben.
Insgesamt wurden 1889 Fälle gemeldet, die die Einschlusskriterien erfüllten. Dies bedeutet im
Vergleich zum Vorjahr eine deutliche Zunahme von 14% von wegen Misshandlungen
erfassten Kindern und Jugendlichen.
Auch die isolierte Analyse der 18 Kliniken, die seit 2013 konstant ihre Daten geliefert haben,
bestätigt mit 13% Meldungen diesen merklichen Anstieg der Fallzahlen (Abbildung 1).
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Abbildung
1: Fallzahlen der 18 konstant teilnehmenden Kliniken 2013 – 2022. Schwankungen im Vergleich zum
Vorjahr
Über die Jahre ist eine stetige Zunahme der Fallzahlen zu verzeichnen. Ob es sich dabei um
eine reale Steigerung der Inzidenz von Misshandlungen handelt oder ob durch eine gestiegene
Sensibilisierung der Bevölkerung mehr Kinder und Jugendliche an die Kinderschutzgruppen
gelangen, ist mit diesen Daten allerdings nicht abschliessend zu klären.
Diagnosen
Kinder und Jugendliche erleben oft mehrere Formen von Misshandlungen. Um konkretere
Aussagen machen zu können, wird für diese Erhebung jeweils die. gravierendste
Misshandlungsform erfasst.
Im Vergleich zum Vorjahr zeigen sich keine relevanten Veränderungen. Weiterhin werden
körperliche Misshandlungen und Vernachlässigungen am häufigsten diagnostiziert. Bei den
psychischen Misshandlungen ist es erneut zu einem geringen Anstieg gekommen, der in
dieser Auswertung durch gestiegene Meldungen von Miterleben Häuslicher Gewalt verursacht
wird .
2022 2021
N = % N = %
Körperliche Misshandlung 534 28.3 492 29.7
Psychische Misshandlung 506 26.8 392 23.7
– durch Miterleben Häusliche Gewalt 288 15.2 194 11.7
– andere 165 8.7 152 9.2
– keine Angabe 53 2.8 46 2.8
Vernachlässigung 568 30.1 485 29.3
Sexueller Missbrauch 269 14.2 272 16.4
Münchhausen Stellvertreter Syndrom 12 0.6 15 0.9
Die Unterteilung der Diagnose «Psychische Misshandlung» durch «Miterleben Häuslicher
Gewalt» und «Andere» wurde 2022 erst zum 2. Mal von fast allen beteiligten Institutionen
erfasst. Wie bereits mit Vorjahr sind zeigte sich erneut, dass das Miterleben Häus licher
Gewalt» in 50% der Fälle als Ursache der psychischen Misshandlung benannt wurde.
Da dieser Faktor erst seit 2 Jahren erhoben wird, sind genauere Aussagen noch nicht möglich,
aber die grosse Bedeutung der Problematik kann schon jetzt durch unsere Zahlen bestätigt
-20% -15%
-10%
-5%
0%
5%
10%
0
200 400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
2013 201420152016201720182019202020212022
Meldungen Prozentuale Veränderung
3
werden. Das Miterleben von verbalen und/oder körperlichen Auseinandersetzungen in ihrem
Daheim ist für Kinder und Jugendliche eine extreme psychische Belastung
Über alle Misshandlungsformen hinweg konnte im Jahresvergleich auch in 2022 eine stabile
Verteilung der Misshandlungsformen bestätigt werden (Abbildung 2).
Abbildung 2: Art der Misshandlung 2013 – 2022- prozentuale Verteilung
Sicherheit der Diagnose
Im Gegensatz zur Auswertung für das Jahr 2021 wurde von den Kinderschutzgruppen die
Diagnose einer Misshandlung mit 53% seltener als «sicher» klassifiziert (2021: 62%)
Sicherheit der
Diagnose N = %
Sicher 1011 53.5
Wahrscheinlich 464 24.6
Unklar 409 21.6
Keine Angaben 5 0.3
Während die Sicherheit bei psychischen Misshandlungen gleich blieb (Vorjahr 66%), beim
Münchhausen Stellvertreter Syndrom sogar zunahm (Vorjahr 20%), wurde bei körperlichen
Misshandlungen (Vorjahr 67%), Vernachlässigungen (Vorjahr 63%) und sexueller Ausbeutung
(Vorjahr 35%) die Diagnose häufiger als in den Vorjahren als «wahrscheinlich» oder «unklar»
klassifiziert.
Dies zeigt die Schwierigkeiten, mit denen die Fachleute der Kinderschutzgruppen oft
konfrontiert sind, da klare Beweise für eine Misshandlung sich nur in einem geringen Teil der
Fälle finden. Häufiger ist es erforderlich, durch Bewertung aller Umstände zu einer
gemeinsamen Einschätzung zu kommen, die in jedem Fall individuell zu treffen ist.
Sicherheit der
Diagnose Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässigung
Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter Syndrom
% % % % %
Sicher 55.0 67.2 48.6 35.7 41.7
Wahrscheinlich 21.0 22.3 28.7 26.8 33.3
Unklar 23.8 9.9 22.7 37.1 25.0
Keine Angaben 0.2 0.6 0.4
0.0%
10.0% 20.0%
30.0%
40.0%
50.0%
2013 201420152016201720182019202020212022
Körperliche Misshandlung Psychische Misshandlung
Vernachlässigung Sexuelle Ausbeutung
Münchhausen Stellvertreter Syndrom
4
Geschlecht der betroffenen Kinder und Jugendlichen
Unverändert und im gleichen Verhältnis sind Mädchen häufiger als Jungen (56% zu 44%)
wegen (des Verdachts auf) Misshandlungen erfasst worden.
Wie zuvor sind Mädchen deutlich häufiger wegen sexueller Ausbeutung (oder des Verdachts
darauf) in den Kinderkliniken betreut worden. Auch wurden bei ihnen etwas häufiger
psychische Misshandlungen als bei Jungen, bei denen wieder etwas häufiger körperliche
Misshandlungen festgestellt oder vermutet wurden.
Bei den Vernachlässigungen kam es in 2022 zu einer Umkehr beim Geschlechterverhältnis
(Vorjahr Jungen 53% vs. Mädchen 46%), was im Rahmen der normalen Schwankungen
beurteilt wird.
Geschlecht
Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässigung
Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter Syndrom
% % % % %
männlich 53.2 45.5 46.7 16.4 33.3
weiblich 46.8 54.5 53.3 83.6 66.7
Alter der betroffenen Kinder und Jugendlichen
Auch in 2022 waren die sehr jungen Kinder besonders oft von Misshandlungen betroffen.
Knapp 1/5 aller gemeldeten Fälle betraf Kinder im 1. Lebensjahr, knapp 45% aller erfassten
Kinder hatten ihren 6. Geburtstag noch nicht erreicht:
• 0- 1 Jahre: 334 Kinder (18.2 %)
• 0- 4 Jahre: 469 Kinder (30.6%)
• 0- 6 Jahre: 846 Kinder (44.8%)
Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, sind diese Zahlen nahezu identisch zu denen der Vorjahre
mit bis 46% Fällen < 6 Jahre bzw. bis 20% Fällen < 1 Jahr. An der Befürchtung, dass gerade
bei den kleinsten Kindern die Dunkelziffer für unerkannte Misshandlungen auch besonders
hoch sein dürfte, muss leider festgehalten werden.
Abbildung 3: Betroffene Kinder bis 6 Jahre - prozentuale Verteilung
0.00% 5.00%
10.00%
15.00%
20.00%
25.00%
30.00%
35.00%
40.00%
45.00%
50.00%
2013201420152016201720182019202020212022
< 1 Jahr < 4 Jahre < 6 Jahre
5
Täter*Innen: Beziehung zum Kind / Jugendlichen
Kinder und Jugendliche werden wie bisher in ¾ der Fälle durch Personen aus ihrem familiären
Umfeld misshandelt. Dies sind neben ihren Eltern und Geschwister auch andere Personen,
wie z.B. Gross - und Stiefeltern bzw. Menschen, die im gleichen Haushalt wohnen und eine
Rolle in der Erziehung innehaben.
Täter*Innen :
Beziehung zum Kind % %
Familie 1423 75.3
Bekannte/r des Kindes 266 14.1
Fremdtäter 82 4.3
Unbekannter Täter 114 6.0
Keine Angaben 4 0.2
Psychische Misshandlungen, Vernachlässigungen und Münchhausen Stellvertreter Syndrom
werden meist durch Personen verursacht, die zur Familie gezählt werden können.
Die Täter*Innen in Fällen von sexueller Ausbeutung oder dem Verdacht darauf fanden sich
auch 2022 zu je 2/5 im familiären Umfeld oder im Bekanntenkreis.
Ein Unterschied ergab sich bei den Beziehungen zwischen Täter*Innen und Opfer in den
Fällen von körperlicher Misshandlung: hier kam es im Jahr 2022 zu einem Anstieg von
Übergriffen durch Bekannte (Vorjahr 18%) und insbesondere auch durch Fremdtäter (Vorjahr
4.5%) zu, Als Fremdtäter werden Personen bezeichnet, die dem Kind oder Jugendlichen vor
dem Übergriff nicht bekannt waren, die aber identifiziert werden konnten.
Ob diese Zunahme ein Hinweis auf eine zunehmende gesellschaftliche Gewaltbereitschaft ist,
kann derzeit nicht gesagt werden. Es ist aber erforderlich, diesen Aspekt weiter zu beobachten.
Täter*Innen:
Beziehung Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässigung
Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter Syndrom
% % % % %
Familie 54.3 90.9 97.9 39.0 100.0
Bekannte/r des Kindes 24.2 4.3 0.5 41.6
Fremdtäter 10.1 0.4 9.7
Unbekannter Täter 11.2 4.2 1.2 9.7
Keine Angabe 0.2 0.2 0.4
Täter*Innen: Geschlecht
Täter*Innen :
Geschlecht N = %
Männlich 689 36.5
Weiblich 440 23.3
Männlich & weiblich 610 32.3
Unbekannt 147 7.8
Keine Angabe 3 0.1
6
Keine Änderungen wurden beim Geschlecht der Täter*Innen festgestellt. Männer werden in
1/3 der Fälle als Einzeltäter benannt, ebenfalls in 1/3 der Fälle erleben Kinder und Jugendliche
als TäterInnen Männer und Frauen gemeinsam.
Aufgeteilt nach Diagnosen verüben Männer häufiger körperliche Misshandlungen. Ihnen wird
auch weiter ein Grossteil der Fälle von sexueller Ausbeutung zugerechnet. Bei den
Vernachlässigungen werden dagegen häufiger Männern und Frauen gemeinsam bzw. Frauen
alleine als Täter*Innen benannt.
Betrachtet man die Gesamtheit der Fälle von psychischer Misshandlung, findet man Männer
und Frauen in 45% gemeinsam als Täter*Innen .
Unterteilt nach Untergruppen sieht man, dass Männer bei psychischer Misshandlung durch
Miterleben Häuslicher Gewalt in 48% Einzeltäter und in 44% gemeinsame Täter mit Frauen
sind. Andere psychische Misshandlungen werden von Männern dagegen seltener (20%) als
von Frauen alleine (34%) verursacht.
Täter*Innen:
Geschlecht Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässigung
Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter
Syndrom
% % % % %
Männlich 45.3 36.8 5.5 85.5
Weiblich 20.0 14.6 42.3 3.0 91.7
Männlich & weiblich 17.4 45.7 48.2 4.1 8.3
Unbekannt 17.0 3.0 3.9 7.1
Keine Angabe 0.2 0.2 0.4
Täter*Innen: Alter
Täter*Innen:
Alter N = %
< 18 Jahre 213 11.3
≥ 18 Jahre 1521 80.5
< und ≥ 18 Jahre 25 1.3
Unbekannt 125 6.6
Keine Angaben 5 0.3
Die Zahl minderjähriger Täter*Innen liegt im Vergleich zum Vorjahr stabil bei ca. 11%.
Erwähnenswert ist jedoch, dass in ¼ aller Fälle von körperlicher Misshandlung und ¼ aller
Fälle von sexueller Ausbeutung jugendliche TäterInnen involviert waren
Täter*Innen :
Alter
Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässigung
Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter
Syndrom
% % % % %
< 18 Jahre 25.1 1.6 0.7 24.9
>= 18 Jahre 61.2 92.5 96.3 62.1 100.0
< und >= 18 Jahre 0.9 3.0 0.5 0.7
Unbekannt 12.5 3.0 2.1 11.5
Keine Angabe 0.2 0.7
7
Täter*Innen: Anzahl
Täter*Innen:
Anzahl N = %
Einzeltäter 1058 56.0
Mehrere Täter 620 32.8
Unbekannt 207 11.0
Keine Angaben 4 0.2
Mehr als die Hälfte aller Misshandlungen wurden erneut von Einzeltätern begangen. Die
Misshandlungsformen «Sexueller Missbrauch» und «Münchhausen Stellvertreter Syndrom»
werden zu 80% und mehr einzelnen Personen angelastet.
Psychischen Misshandlungen und Vernachlässigungen werden dagegen auch häufig von
mehreren Personen verursacht, die aus dem familiären Umfeld stammen.
Täterin/Täter:
Anzahl Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässigung
Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter
Syndrom
% % % % %
Einzeltäter 59.2 49.0 47.0 80.7 83.3
Mehrere Täter 23.6 45.3 42.4 8.6 8.3
Unbekannt 17.0 5.7 10.4 10.0 8.3
Keine Angaben 0.2 0.2 0.7
Medizinisch -therapeutische Massnahmen und Todesfälle
Die überwiegende Anzahl (N=1330, 70%) aller Kinder und Jugendlichen benötigte keine
m edizinischen und/oder therapeutischen Massnahmen aufgrund der erlebten
Misshandlungen.
Allerdings verstarben an Schweizer Kinderkliniken auch in 2022 zwei Kinder im 1. Lebensjahr,
bei denen der Verdacht besteht, dass der Tod infolge von körperlicher Misshandlung bzw.
Vernachlässigung eingetreten ist.
Meldung an die Kindes – und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)
Meldung an KESB N = %
Durch andere Stelle bereits eingeleitet 365 19.3
Gefährdungsmeldung durch KSG gemacht 384 20.3
Gefährdungsmeldung durch KSG empfohlen 126 6.7
Keine 997 52.8
Unbekannt 13 0.7
Keine 4 0.2
Erneut ist bei knapp 40% aller Fälle war die KESB bereits involviert gewesen oder durch die
Kinderschutzgruppe durch Gefährdungsmeldung informiert worden.
Die Massnahme einer Gefährdungsmeldung wurde besonders bei Fällen von (vermuteter)
Vernachlässigung bzw. bei psychischen Misshandlungen durch Miterleben von Häuslicher
Gewalt. von den Kinderschutzgruppen ergriffen.
8
Meldung an KESB Körperliche
Misshandlung Psychische
Misshandlung Vernachlässi
gung Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter Syndrom
% % % % %
Durch andere Stellen bereits eingeleitet 16.1 20.9 20.1 21.9 25.0
Durch KSG veranlasst 15.9 21.3 29.0 8.6
Durch KSG empfohlen 5.1 5.7 8.8 7.4 66.7
Keine 62.2 52.0 42.1 57.6 8.3
Unbekannt 0.2 4.5
Keine Angabe 0.7 8.3
Meldung an KESB: Psychische Misshandlung
Miterleben
Häusliche Gewalt Andere
% %
Durch andere Stellen bereits eingeleitet 16.4 23.6
Durch KSG veranlasst 38.2 14.9
Durch KSG empfohlen 10.9 2.4
Keine 34.5 59.0
Meldung an die Strafverfolgungsbehörde
Meldung an die Strafverfolgungsbehörden N = %
Durch andere Stellen bereits eingeleitet 237 12.5
Durch KSG veranlasst 77 4.1
Durch KSG empfohlen 59 3.1
Keine 1482 78.5
Keine Angabe 34 1.8
Strafanzeigen werden bei Fällen von Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen weiterhin
deutlich seltener als Gefährdungsmeldungen gemacht. Sie sind überwiegend bei Fällen von
sexueller Ausbeutung und bei körperlichen Misshandlungen zu finden.
Meldung an Strafverfolgungsbehörde
Körperliche
Misshandlun g Psychische
Misshandlun g Vernachlässi
g
ung Sexueller
Missbrauch Münchhausen
Stellvertreter Syndrom
% % % % %
Durch andere Stellen bereits eingeleitet 13.2 6.4 3.7 23.5
Durch KSG veranlasst 12.8 1.3 1.2 8.4
Durch KSG empfohlen 11.2 5.6 0.8 10.7
Keine 62.4 86.5 94.0 57.0 100.0
Keine Angabe 0.4 0.2 0.2 0.4
9
Zusammenfassung
Die im Jahr 2022 durchgeführte 14. Erfassung der an Schweizer Kinderkliniken betreuten
(Verdachts-) Fälle von Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen bestätigt überwiegend
die Ergebnisse der Vorjahre.
Seit Beginn der Erfassung haben die Zahlfallen stetig zugenommen. Selten allerdings war die
Zunahme, die im Jahr 2022 etwa 14% betrug, so markant. Es stellt sich hier die Frage, ob
tatsächlich mehr Misshandlungen aufgetreten sind oder ob durch eine erhöhte Sensibilisierung
für das Problem mehr Kinder und Jugendliche zugewiesen werden.
Erwähnenswert ist, dass körperliche Misshandlungen häufiger durch Bekannte oder
Fremdtäter als Aggressoren auftraten Ob dies Ausdruck einer höheren gesellschaftlichen
Gewaltbereitschaft oder einer zufälligen Schwankung ist, werden zukünftige Erhebungen
zeigen
Die prozentuale Verteilung der einzelnen Misshandlungsformen hat sich nicht wesentlich
geändert, allerdings haben wir bei Fällen von psychischer Misshandlung durch Miterleben
Häuslicher Gewalt einen Anstieg bemerkt Dieses Zusatzkriterium wurde erst zum zweiten Mal
erfasst und auch muss in Betracht gezogen, dass der Anstieg seine Ursache in einem
besseren Meldeverhalten hat und nicht zwingend auf mehr Ereignisse hinweisen muss.
Die grosse Bedeutung der Problematik für Kinder und Jugendliche ist aber schon jetzt
offensichtlich, da 50% aller erfassten Fälle von psychischer Misshandlung auf das Miterleben
Häuslicher Gewalt zurückzuführen sind.
Für die Fachgruppe Kinderschutz
Dr. Dörthe Harms Huser
Leitung Ki nderschutzgruppe
Leitende Ärztin Klinik für Kinder und Jugendliche
Kantonsspital Baden
5404 Baden