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Die akute Niereninsuffizienz im Kindesalter

Die akute Niereninsuffizienz wurde bei Kindern lange Zeit als eine Begleiterscheinung einer schlechten Hämodynamik bei schweren Erkrankungen angesehen. Die Diagnose wurde im Wesentlichen aufgrund eines abrupten Kreatininanstieges gestellt. Eine einheitliche Definition fehlte, was es schwierig macht, Daten über die Häufigkeit, Ätiologie und Prognose der akuten Niereninsuffizienz im Kindesalter zusammenzustellen.

Definition

2004 wurde der Begriff des akuten Nierenversagens (acute renal failure, ARF) durch den Begriff akute Nierenschädigung (acute kidney injury, AKI) abgelöst, was besser zum Ausdruck bringt, dass es sich bei diesem Zustand nicht um eine Erhöhung des Kreatinins allein handelt, sondern um ein Spektrum von Symptomen, welche mit einer abrupten Einschränkung der Nierenfunktion einhergehen. Charakterisiert wird dieses Syndrom durch eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate (GFR), die Retention von Harnstoff und anderen stickstoffhaltigen Abbauprodukten wie Harnsäure und Ammoniak, die Dysregulation des extrazellulären Volumens und die Dysregulation von Elektrolyten. AKI ist somit ein Syndrom mit verschiedenen Erscheinungsbildern und keine Krankheit im engeren Sinn.

Ab dem Jahr 2007 wurden vier wesentliche Definitionen für AKI im Kindesalter publiziert. 2007 die pRIFLE- Kriterien (Paediatric Risk Injury Failure Loss ESRD) und die AKIN Klassifikation (Acute Kidney Injury Network), im Jahr 2012 erfolgte die Definition nach KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcome).

Die vierte Definition pROCK (Paediatric Reference change value Optimized for AKI) wurde 2018 publiziert und ist im Unterschied zu ihren drei Vorgängern weniger sensitiv dafür spezifischer in der Detektion von AKI.

Bis heute fehlt ein Konsensus darüber, welche Definition verwendet werden soll, was die uneinheitliche, respektive fehlende epidemiologische Datenlage zu AKI im Kindesalter teilweise erklärt. Ein Expertengremium aus Kindernephrologen empfiehlt, die KDIGO Definition zu verwenden, da diese sowohl für Kinder als auch für Erwachsene verwendet werden kann mit dem grossen Vorteil der einheitlichen Definition für die gesamte Population. Bei der Anwendung von pROCK bestehen Bedenken aufgrund der tiefen Sensitivität. Dies birgt die Gefahr, dass z.B. nephrotoxische Medikamente bei einer noch nicht entdeckten leichten Niereninsuffizienz weitergegeben oder nicht an die eingeschränkte Nierenfunktion angepasst werden, was zu einem zusätzlichen Schaden führen kann. Eine hohe Sensitivität erscheint uns Kindernephrologen wichtig, da AKI nicht einfach eine Begleiterscheinung bei anderen Erkrankungen ist, sondern per se mit einem längeren Spitalaufenthalt, einer längeren Beatmungsdauer und einer erhöhten Mortalität assoziiert ist. 1,2)

Tabelle 1: Definition und Einteilung des Schweregrades nach KDIGO: Kinder > 1 Monat
Tabelle 2: Definition und Einteilung des Schweregrades nach KDIGO : Neugeborene

Aus den Tabellen 1 und 2 ist ersichtlich, dass wir für die Beurteilung der AKI das Serumkreatinin und die Urinausscheidung benötigen. Verwendet man nur einen Parameter, so wird die Inzidenz und der Schweregrad der Niereninsuffizienz häufig unterschätzt, da einerseits eine Niereninsuffizienz nicht zwangsläufig oligurisch sein muss, andererseits das Kreatinin im Serum nicht zwingend gleich schnell ansteigen muss, wie die Diurese abnimmt.

Epidemiologie

Durch das Fehlen eines Konsensus in Bezug auf die Definition von AKI ist die epidemiologische Datenlage über die Inzidenz und Prävalenz bei Kindern nur spärlich und nicht vergleichbar. Die meisten Studien beziehen sich auf kritisch kranke Kinder, die in einer Intensivstation behandelt wurden und geben eine Inzidenz von 4.5% bis 82% 4) an.

2014 zeigte die prospektive AWARE Studie (Assessment of Worldwide Acute Kidney Injury and Renal Angina Index Epidemiology) die Inzidenz, das Outcome und die Risikofaktoren von kritisch kranken Patienten im Alter von 3 Monaten bis 25 Jahren. Nach der angewendeten KDIGO Klassifikation betrug die Inzidenz für AKI insgesamt 26.9%, knapp die Hälfte davon (11.6%) hatten eine schwere Niereninsuffizienz (Stadium 2 und 3). Ähnliche Resultate zeigte die retrospektive AWAKEN Studie (Assessment of Worldwide Acute Kidney Injury Epidemiology in Neonates) bei Neugeborenen, welche eine Inzidenz von AKI von 27% zeigte.

Einteilung

Die gängigste Einteilung bei AKI ist diejenige nach der Lokalisation: prärenal, renal oder intrinsisch sowie postrenal oder obstruktiv. Zum Verständnis der pathophysiologischen Veränderungen ist dies sehr hilfreich.

Tabelle 3: Einteilung AKI nach Lokalisation des initialen Insultes

Prärenale akute Niereninsuffizienz

Die prärenale ist die häufigste Form der AKI. Die Ursache ist eine verminderte Perfusion der Nieren mit konsekutiv einer verminderten glomerulären Filtrationsrate (GFR) bei entweder einer «echten» intravasalen Volumenverminderung oder aber einer arteriellen Minderperfusion. (vgl. Tabelle 3).

Sobald die Nierenperfusion wiederhergestellt wird, steigt die GFR an und die Diurese nimmt zu. Bei kurzdauerndem Insult ist diese Form der Niereninsuffizienz reversibel, je länger die Minderperfusion persistiert, umso höher ist das Risiko eines bleibenden Nierenschadens mit Strukturalteration des Gewebes als Folge einer hypoxiebedingten irreversiblen Reduktion der peritubulären Kapillaren und einer tubulo-interstitiellen Fibrose durch prolongierte zelluläre Inflammation. Ein schnelles Erkennen und entsprechendes Handeln ist eminent wichtig, um den Übergang einer prärenalen AKI in eine renale AKI zu verhindern.

Renale oder intrinsische akute Niereninsuffizienz

Die intrinsische oder renale Form ist charakterisiert durch einen strukturellen Schaden im Nierenparenchym. Die Umbauprozesse bei persistierender Hypoperfusion als mögliche Ursache des Gewebeschadens wurden oben bereits erwähnt, weitere sind eine Sepsis, Nephrotoxine und Glomerulonephritiden (vgl. Tabelle 3). Diese Form der AKI hat durch die stattfindende Schädigung des Nierenparenchyms die schlechteste Prognose.

Postrenale oder obstruktive akute Niereninsuffizienz

Die postrenale oder obstruktive AKI ist die Konsequenz einer relevanten Abflussbehinderung des Urins. Diese kann angeboren oder erworben sein. (vgl. Tabelle 3)

Diagnostik

Die Diagnose erfolgt durch charakteristische klinische Zeichen und laborchemische Veränderungen, die bezeichnend für einen akuten Nierenschaden sind.

Anamnese

Die Anamnese bezüglich einer aktuellen oder vorangehenden Infektion (insbesondere Hinweise auf Infektion mit Streptokokken der Gruppe A), vorbestehenden Nierenproblemen, einer auffälligen Familienanamnese oder Einnahme von Medikamenten können wichtige Hinweise auf die Ätiologie der Niereninsuffizienz geben. Sie ist bei der Beurteilung einer AKI wichtig.

Klinische Symptome

Als Symptome sieht man häufig eine reduzierte oder fehlende Urinausscheidung, Ödeme, eine arterielle Hypertonie oder eine Makrohämaturie. Diese müssen aber nicht zwingend vorhanden sein.

Laborchemische Veränderungen

Typische laborchemische Veränderungen bei Vorliegen einer AKI sind eine Erhöhung des Serumkreatinins, des Harnstoffs, eine Hyperkaliämie, eine metabolische Azidose, eine Hypo- oder Hypernatriämie sowie eine Hyperphosphatämie. Alle sind Ausdruck der verminderten GFR und/oder einer Tubulusschädigung.

Serumkreatinin und neuere Biomarker für AKI

Das Serumkreatinin ist der aktuelle Goldstandard zur Abschätzung der GFR und ist im klinischen Alltag der am häufigsten verwendete Marker, um eine AKI zu identifizieren. Es gibt aber bekannte Grenzen, welche die Wertigkeit der Kreatininbestimmung einschränken:

Die Bestimmung des Kreatinins sollte nur noch enzymatisch erfolgen, der kinetische Farbtest nach Jaffé sollte nicht mehr angewandt werden. Des Weiteren beginnt das Serum-Kreatinin erst einige Tage nach einem akuten Ereignis anzusteigen, es weist also eine deutliche zeitliche Verzögerung gegenüber dem Abfall der GFR auf. Zudem ist das Kreatinin abhängig von der Muskelmasse. Bei Patienten mit reduzierter Muskelmasse kann auch ein relevanter Abfall der GFR mit einem lediglich milden oder fehlenden Kreatininanstieg einhergehen. Ein weiterer erschwerender Faktor ist der breite Normbereich des Kreatinins, was ohne bekannte Vorwerte die Erkennung eines GFR Abfalls ebenfalls erschweren kann.5)

Somit ist das Serumkreatinin ein wenig sensitiver und v.a. verzögerter Marker für AKI und viele Forschungsgruppen fokussieren sich auf die Suche nach einem sensitiveren und spezifischen Parameter wie z.B. Cystatin C im Serum oder neutrophil gelatinase-associated lipocalin (NGAL), Interleukin-18 (IL-18) und kidney injury molecule-1 (KIM-1) im Urin. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich jedoch keiner der neuen Marker im klinischen Alltag etablieren können.

In Tabelle 4 wird eine Auswahl der aktuell als vielversprechend geltenden Parameter aufgeführt.5,6)

Tabelle 4: neuere Biomarker zur besseren Detektion von AKI. Adaptiert von 6, 9)

Fraktionierte Natriumexkretion (FeNa)

FeNa wurde 1976 zur Erkennung einer prärenalen Niereninsuffizienz erstmals von Espinel beschrieben. Da die prärenale AKI durch eine zeitnahe und adäquate Volumenexpansion resp. Verbesserung der Nierenperfusion potentiell reversibel ist, ist deren schnelle Erkennung sehr wichtig. Die Berechnung der FeNa setzt eine normale Tubulusfunktion und eine an die Volumendepletion angepasste Natriumresorption voraus. Dies ist bei verschiedenen Zuständen mit AKI, insbesondere prärenaler AKI, nicht der Fall. Zusätzlich verändern Medikamente – insbesondere Diuretika – die FeNa, was deren Aussagekraft noch weiter einschränkt.

Fraktionierte Harnstoffexkretion

Diuretika haben weniger Einfluss auf die fraktionierte Harnstoffausscheidung und diese kann alternativ angewandt werden.

Beide Werte – FeNa und die fraktionierte Harnstoffexkretion – sollten mit Vorbehalt an die klinische Situation angepasst, zur Beurteilung von AKI verwendet werden.5)

Urinstatus

Der Urinstatus ist bei noch vorhandener Diurese hilfreich um z.B. eine Glomerulonephritis als Ursache von AKI diagnostizieren zu können. In vielen Formen von AKI ist das Urinsediment aber typischerweise unauffällig.

Bildgebung

Die Ultraschalluntersuchung sollte bei einer AKI zeitnahe durchgeführt werden. Das Vorliegen einer Thrombose in der Nierenvene oder Nierenarterie hat eine grosse therapeutische Konsequenz mit der Notwendigkeit einer Antikoagulation. Diese ist insbesondere im Neugeborenenalter eine häufige Entität bei AKI. Zudem kann durch die Ultraschalluntersuchung eine postrenale AKI diagnostiziert und deren Therapie unverzüglich eingeleitet werden.

Nierenbiopsie

Die Nierenbiopsie ist bei AKI im Kindesalter nur selten notwendig. Sie ist indiziert, wenn Anamnese, Klinik, Labor und Bildgebung keine zufriedenstellende Diagnose ergeben oder wenn z.B. bei einer Glomerulonephritis die Therapie vom histologischen Bild abhängt, wie z.B. bei einer Lupus-Nephritis.

Therapie und Management

Frühzeitiges Erkennen

Es gibt keine gut definierten Risikogruppen, aber es ist generell anerkannt, dass Patienten die frühgeboren sind oder unter einer chronischen Vorerkrankung leiden (v.a. auch vorbestehende CKD) für AKI gefährdeter sind. Zudem sind Situationen mit Volumendepletion, Anwendung nephrotoxischer Medikamente, Sepsis, grosse und langdauernde Operationen, sowie lebensbedrohliche Erkrankung per se mit einem erhöhten Risiko für AKI verbunden. In diesen Situationen soll ein regelmässiges Monitoring der Nierenfunktion durchgeführt werden, falls möglich soll vor einem möglichen Insult (z.B. vor einer grossen Operation) auch ein Kreatinin als Ausgangswert bestimmt werden.

Inzwischen gibt es Bestrebungen, durch die jetzt weitverbreitete Anwendung von elektronischen Patientendossiers, Algorithmen zu hinterlegen, die einerseits Hochrisikopatienten und andererseits Patienten mit verminderter GFR kennzeichnen. Park et al. konnten in ihrer Studie von 2018 zeigen, dass dadurch die Erholungsrate von AKI verbessert werden konnte.7)

Prävention

Die verschieden zugrundeliegenden Ursachen der AKI erfordern jeweils ein der Ätiologie angepasstes Management; ein effektives Medikament zur Behandlung einer bereits etablierten AKI gibt es aber nicht. Die beste Form der Therapie von AKI stellt die Prävention dar.

Zentral ist eine adäquate Flüssigkeitsversorgung, die Aufrechterhaltung der Nierenperfusion – ggf. auch unter Anwendung von inotropen Substanzen – und die Vermeidung nephrotoxischer Substanzen soweit möglich. Wenn diese Substanzen nicht vermeidbar sind, sollte die Dosis an die jeweilige GFR angepasst werden und wenn verfügbar auch Medikamentenspiegel gemessen werden.

Supportives Management

Wiederherstellung der renalen Perfusion

Volumenkontrolle

Die Volumenkontrolle ist v.a. für die prärenale AKI von höchster Bedeutung, da bei schnellem Handeln der Nierenschaden reversibel sein kann. Kristalloide sind die bevorzugte Flüssigkeit, die verwendet werden sollte.8, 9)

Verbesserung der Nierenperfusion

Bei systemischer – auf Volumengabe therapierefraktärer – Hypotonie werden vasoaktive Medikamente verwendet. Ob diese Medikamente auch bei AKI hilfreich sind, ist nicht geklärt und wird regelmässig debattiert.

Es gibt mehrere Tiermodelle, die zeigen, dass Noradrenalin den renalen Blutfluss in Situationen mit krankheitsbedingter ausgeprägter Vasodilatation verbessert.10) Dadurch scheint es schlüssig, dass Noradrenalin z.B. bei Sepsis mit schwerer Vasodilatation einen positiven Effekt haben könnte.

Dopamin wurde lange Zeit in einer tiefen sog. «Nierendosis» verwendet (0.5 – 5 µg/kg/min) mit der Idee, durch eine renale Vasodilatation den renalen Blutfluss zu verbessern. Es gibt keine Daten, die einen Benefit diesbezüglich zeigen und Nebenwirkungen wie Tachykardie, Arrhythmien, intestinale und myokardiale Ischämien sind nicht zu vernachlässigen. Bei «normal» dosierter Anwendung als vasoaktives Agens konnte bei Erwachsenen kein positiver Effekt auf eine AKI gezeigt werden.10)

Eine interessante Substanz ist Fenoldopam, ein selektiver D1-Agonist (Dopamin Rezeptor Agonist). Fenoldopam wird zur Behandlung der hypertensiven Krise verwendet. Die Hypothese ist: In tiefer Dosierung wird eine Vasodilatation ohne systemischen Effekt erreicht und somit der renale Blutfluss erhöht ohne begleitenden relevanten systemischen Blutdruckabfall. Es gibt nur ganz wenige pädiatrische Studien, die v.a. bei Kindern mit Herzoperationen durchgeführt wurden, und möglicherweise einen Benefit zeigen. Vor der klinischen Anwendung braucht es dringend eine Bestätigung dieser Resultate.

Weitere Substanzen wie natriuretische Peptide werden aktuell daraufhin untersucht, ob sie durch die verminderte Natrium-Resorption und der daraus resultierenden Dilatation der afferenten Arteriolen einen günstigen Effekt haben könnten.11)

Diuretika

Obwohl eine oligurische AKI eine schlechtere Prognose als eine nicht-oligurische AKI hat, darf der Umkehrschluss nicht gezogen werden, dass das Überführen einer oligurischen in eine nicht-oligurische AKI die Prognose automatisch verbessert. Obwohl bei Erwachsenen gezeigt werden konnte, dass durch eine Therapie mit Furosemid die Diurese verbessert werden kann, führte dies nicht zu einer Verbesserung der renalen Erholung, einer Verminderung der Anzahl Dialysen oder einer Verbesserung des Überlebens.12) Die Überlegung zur Therapie mit Furosemid war die Idee der Reduktion einer tubulären Obstruktion durch erhöhten Urinfluss und die Verminderung des Sauerstoffkonsums durch die Verminderung des aktiven Transportes von Natrium, Kalium und Chlorid im aufsteigenden Ast der Henle Schleife.

Des Weiteren muss bedacht werden, dass durch eine Erhöhung der Diurese keine Verbesserung der GFR erreicht werden kann.

Bei Patienten mit AKI kommen nicht selten diverse Risikofaktoren für eine Schädigung des Gehörs zusammen und es muss bei der Bolusverabreichung von Furosemid strikt auf eine Verabreichungsgeschwindigkeit von max.0.5 mg/kg/min resp. max. 4 mg/min geachtet werden. Die zusätzlichen Risikofaktoren sind: eine schwere Niereninsuffizienz, (zu) hohe Dosierung von Medikamenten, eine Hypoproteinämie und die zeitgleiche Verwendung mehrerer ototoxischer Medikamente. Da durch die kontinuierliche Verabreichung von Furosemid der gleiche Effekt mit geringerer Dosierung als mit Bolus-Gaben erzielt wird, verwenden wir in unserem Zentrum oft die kontinuierliche Gabe, um die Toxizität so weit wie möglich minimieren zu können. Die übliche Dosierung bei kontinuierlicher Anwendung ist ein Startbolus mit 0.1 mg/kg, gefolgt von einer Dauerinfusion mit 0.05- 0.4mg/kg/h.

Weitere in der Prävention und Therapie bei AKI verwendete Substanzen sind z.B. Mannitol und N-Acetylcystein. Für beide Substanzen fehlen jedoch Daten zum renoprotektiven Effekt beim Menschen, insbesondere auch bei Kindern und sollen nicht verwendet werden. Mannitol kann zudem schwere Nebenwirkungen durch die starke Volumenexpansion auslösen (Lungenödem, arterielle Hypertonie). N-Acetylcystein wird gelegentlich bei Patienten verwendet, die ein hohes Risiko für eine Kontrastmittel-induzierte AKI haben.5,6,11)

Nierenersatzverfahren

Eine Dialyse ist am häufigsten notwendig bei Vorliegen einer Volumenüberladung, die nicht auf Diuretika anspricht oder die bereits durch Lungenödem, refraktäre arterielle Hypertonie oder Herzinsuffizienz begleitet ist. Eine Volumenüberladung ist ein Risikofaktor für ein schlechtes Outcome, unabhängig von der Population (Kinder nach Herzoperation, Neugeborene, mit oder ohne AKI etc.). Die aktuellen Daten empfehlen, eine 10-20 % Flüssigkeitsüberladung als kritischen Wert zu verwenden.13)

Weitere Gründe für eine Dialyse sind eine Hyperkaliämie, die nutritiv und medikamentös nicht genügend kontrolliert werden kann oder eine relevante Harnstofferhöhung. In der Regel ist der Schwellenwert für eine Dialyse beim Harnstoff um 30 mmol/l, es kommt aber stark auf die zugrundeliegende Ursache und den zeitlichen Verlauf des Anstiegs an.

Welche Form des Nierenersatzverfahrens verwendet wird, spielt eine untergeordnete Rolle und wird jeweils der Situation angepasst. Je nach Verfügbarkeit und individuellen Voraussetzungen des Patienten, wird eine Peritonealdialyse, eine intermittierende oder eine kontinuierliche Hämodialyse gewählt.14)

Prognose

Nachdem die AKI bei Kindern lange Zeit als Begleiterscheinung betrachtet wurde, konnte spätestens 2012 in der Studie von Mammen et al. gezeigt werden, dass eine Episode einer AKI im Kindesalter mit Langzeitfolgen verbunden ist. Das langfristige Risiko, eine schwere chronische Niereninsuffizienz (CKD) zu entwickeln beträgt in dieser Studie ca. 0.8%, für eine milde bis mittelschwere Niereninsuffizienz (GFR 60-90 ml/min/1.73m2) jedoch 28%. Etwa 9.5% der Kinder entwickeln nach AKI eine Proteinurie, welche ein zusätzlicher, unabhängiger Risikofaktor für eine CKD darstellt. Für die Langzeitprognose bei Neugeborenen mit AKI fehlen genügend grosse Follow-up Studien, um eine AKI im Neugeborenenalter mit CKD im weiteren Leben in Relation zu setzen. Kleine Beobachtungsstudien haben festgestellt, dass überlebende Neugeborene mit AKI ein hohes Risiko für die Entwicklung einer CKD und/oder einer Proteinurie haben.15)

Leider gibt es keinen Konsensus über die mittel- und langfristige Kontrollen nach AKI, obwohl dies bei relevanten Langzeitfolgen sehr sinnvoll wäre und die Prognose durch eine Therapie – z.B. einer arteriellen Hypertonie oder Proteinurie – langfristig günstig beeinflusst werden kann. Aktuell wird die Nachsorge nach AKI individuell, je nach Vorgabe der jeweiligen Zentren durchgeführt. Die Patienten, deren Nierenfunktion sich nicht vollständig erholt hat, werden regelmässig kontrolliert. Die Mehrheit der Kinder erholen sich nach AKI aber meist vollständig und der langfristige Schaden ist nur sehr schwer abschätzbar. In unserem Zentrum sehen wir die Kinder nach AKI, die sich vollständig erholt haben nach 1 Jahr (Bestimmung der Nierenfunktion, Urinuntersuchung und Blutdruckmessung), danach je nach Situation. Die langfristigen Kontrollen können in der Kinderarztpraxis durchgeführt werden. Beim Auftreten einer Verminderung der GFR, einer arteriellen Hypertonie oder einer Proteinurie ist die Beurteilung durch einen Kindernephrologen empfohlen.

Zusammenfassung

  • Die akute Niereninsuffizienz im Kindesalter ist ein Syndrom mir sehr vielen verschiedenen Ursachen und weniger eine eigenständige Krankheit.
  • Die Prävention sowie das frühzeitige Erkennen einer AKI sind für die Prognose relevant.
  • Die langfristige Nachkontrolle nach AKI ist bei allen Kindern wichtig, um diejenigen frühzeitig erkennen und gegebenenfalls therapieren zu können, die eine Proteinurie, eine Hypertonie und / oder eine CKD entwickeln.
  • Eine Kontrolle der Nierenfunktion, Blutdruckmessung und Urinuntersuchung (v.a. betreffend Proteinurie) soll bei allen Kindern nach AKI spätestens nach einem Jahr erfolgen, anschliessend je nach Befund und Risikokonstellation.

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Weitere Informationen

Korrespondenz:
Interessenkonflikt:
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Autoren/Autorinnen
Dr. med. Sibylle Tschumi, Abteilung für Kindernephrologie, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern
Dr. med. Julien Caccia, Abteilung für Kindernephrologie, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern
Dr. med. Stéphanie Wagner, Abteilung für Kindernephrologie, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern