Fachzeitschrift

Auswirkungen des Klimawandels in der Neuropädiatrie und Kinderpsychiatrie

Umwelt
Der Originalartikel wurde auf Französisch verfasst.

Abstract

Der Klimawandel erhöht Prävalenz und Schweregrad bestimmter neurologischer Störungen bei Kindern und wird damit weltweit zunehmend zum Gesundheitsproblem. Beispielsweise kann der Temperaturanstieg bei Hitzewellen die Manifestationen bestimmter Epilepsien direkt verschlimmern. Indirekt kann der Klimawandel zudem die Behandlung bestimmter chronischer neuropädiatrischer Erkrankungen erschweren. Besonders gefährdet sind Kinder in Situationen mit beeinträchtigtem Zugang zu Medikamenten und verschärften Ungleichheiten im Gesundheitsbereich, wie dies laut Berichten beispielsweise während der Winterstürme in Nordamerika der Fall ist. Auf der Grundlage des aktuellen Wissensstandes und von Fallstudien beleuchtet dieser Übersichtsartikel die Auswirkungen des Klimawandels auf Kinder mit neurologischen Störungen.

Einleitung

Die derzeit grösste globale Gesundheitsbedrohung bildet das fortgesetzte Scheitern der internationalen Verpflichtungen, den globalen Temperaturanstieg auf unter 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau einzudämmen, die Biodiversität zu erhalten und die Ökosysteme zu stabilisieren(1). Die Folgen des Klimawandels wirken sich unverhältnismässig stark auf die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Kinder, ältere Menschen, ethnische Minderheiten, von Armut betroffene Personengruppen und Menschen mit chronischen Gesundheitsproblemen aus(1). Patient:innen mit neurologischen Erkrankungen sind durch Hitze besonders gefährdet. Zu dieser speziellen Anfälligkeit tragen eine Reihe von Mechanismen bei. Zum einen ist bei bestimmten Erkrankungen des zentralen Nervensystems das Thermoregulationsvermögen vermindert(2). Zudem verschärft sich das Risiko hitzebedingter Gesundheitsprobleme mit der Anwendung bestimmter Medikamente, die bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden und eine vasomotorische Störung hervorrufen(3).  Einblicke in die Interaktionen zwischen Klimawandel und neurologischen Störungen zu gewinnen, erweist sich als schwierig, vor allem aufgrund der lückenhaften Kenntnisse über die Pathophysiologie vieler Erkrankungen des Nervensystems. Hierzu ist anzumerken, dass Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die neurologische Gesundheit mehrheitlich in Ländern durchgeführt wurden, deren Gesundheitssysteme finanziell besser ausgestattet sind und die zudem vom Klimawandel am wenigsten betroffen sind. Die in diesen Studien beobachteten Auswirkungen bilden daher nicht unbedingt das tatsächliche Ausmass der globalen Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere in den am stärksten betroffenen Ländern, ab. Nichtsdestotrotz spielen solche Untersuchungen eine entscheidende Rolle für unser Verständnis und unsere Anpassungsfähigkeit an diese Veränderungen, die sich weiter intensivieren werden.

Epilepsie und Hitzewellen

Ein längerer oder akuter Anstieg der Umgebungswärme, etwa bei einer Hitzewelle, beeinträchtigt die Fähigkeit des Körpers, seine Kerntemperatur innerhalb des für die Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen erforderlichen Bereiches zu halten(4). Ist das Thermoregulationssystem überfordert, kann es zu einer Reihe von pathologischen Reaktionen kommen, bis hin zur tödlichen Hyperthermie(4). Ein Temperaturanstieg ist grundsätzlich immer mit Risiken verbunden. Sehr junge oder sehr alte Menschen sind dabei besonders gefährdet(5). Eine retrospektive Studie hat ergeben, dass ein Temperaturanstieg bei Erwachsenen die Inzidenz länger anhaltender epileptischer Anfälle und damit auch bestimmter direkter Folgen davon erhöhen kann(6).

Diese Temperaturempfindlichkeit betrifft insbesondere auch Kleinkinder. Das zeigt sich unter anderem daran, dass 3 bis 5 % von ihnen zu Fieberkrämpfen neigen. Die Ursache solcher Krämpfe ist eine Erhöhung der Körpertemperatur, die durch innere oder äussere Faktoren bedingt sein kann(7,8). Mit ausschlaggebend ist bei diesen Kindern eine gewisse genetisch bedingte Anfälligkeit, die beispielsweise einen Einfluss auf die Temperaturempfindlichkeit der Nervenzellen hat(7). Studien an Rattenmodellen haben gezeigt, dass bestimmte Gene die GABAerge Signalübertragung, die Funktion von Ionenkanälen oder die Immunantwort auf Fieber beeinflussen können(9). Diese Daten unterstreichen auch die Bedeutung der genetischen Komponente für die individuelle Reaktion auf potenziell krampfauslösende Umweltfaktoren(7). Das Dravet-Syndrom beispielsweise ist in den meisten Fällen mit pathogenen Varianten des SCN1A-Gens assoziiert, das für einen besonders temperaturempfindlichen Natriumkanal kodiert(10). Bei diesen Patient:innen kann bereits ein leichter Anstieg der Körpertemperatur aufgrund von Fieber, warmen Bädern und heisser Umgebungsluft Anfälle auslösen(7).

Die wichtigsten Temperatursensoren des Menschen bilden transiente Kationenkanäle, die sogenannten TRP-Kanäle (TRP steht für «transient receptor potential»), die in bestimmten Temperaturbereichen aktiv werden. So werden beispielsweise die kälteempfindlichen Kanäle TRPM8 und TRPA1 bei 15 °C bzw. 17 °C aktiviert, während der wärmeempfindliche Kanal TRPV1 bei 40 °C aktiviert wird. Innerhalb der TRPV-Subfamilie wurde eine erhebliche genetische Variabilität beschrieben, die zu individuell unterschiedlichen Anfälligkeiten führen und die physiologischen Reaktionen auf Temperaturveränderungen beeinflussen könnte. Obwohl der direkte Zusammenhang zwischen dieser Variabilität und einem Anstieg von epileptischen Anfällen als Reaktion auf die Umgebungstemperaturen noch nicht geklärt ist, spricht allein schon die Tatsache, dass es Fieberkrämpfe oder temperaturreagible Epilepsieformen gibt, stark für diese Möglichkeit(7).

Eine brasilianische Studie, die in den Sommermonaten der Jahre 2000 bis 2015 durchgeführt wurde, bewertete das Risiko eines Spitalaufenthalts wegen epileptischer Anfälle in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass oberhalb eines Schwellenwerts von 26 °C jeder Anstieg um 1 °C mit einer Zunahme des Hospitalisierungsrisikos um 4,3 % verbunden war. Am meisten gefährdet bei Hitze waren Patient:innen im Alter von 20 bis 30 Jahren, insbesondere Frauen(11). Nach unserem Kenntnisstand sind entsprechende Daten für die Pädiatrie nicht verfügbar. Dennoch lässt sich die Hypothese aufstellen, dass diese Anfälligkeit bei Kleinkindern aufgrund des unreifen Thermoregulationssystems möglicherweise noch ausgeprägter ist und das Risiko epileptischer Anfälle bei ähnlich hohen Temperaturen in dieser Gruppe dementsprechend erhöht sein könnte(4).

Auswirkungen von Hitze auf Antiepileptika

Steigende Umgebungstemperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit erfordern eine strengere Kontrolle der Lagerungsbedingungen von Arzneimitteln, die gegen neurologische Erkrankungen eingesetzt werden. Bei den Antiepileptika Carbamazepin und Phenytoin beeinträchtigt die Lagerung unter feuchtwarmen Bedingungen die Stabilität der Darreichungsformen und kann die Bioverfügbarkeit um 50 % verringern(7). Dieselben Wirkstoffe können je nach Umgebungsbedingungen unterschiedlich verstoffwechselt werden. So stellte eine Studie an zehn Personen, die Phenytoin einnahmen, im Sommer aufgrund von vermehrtem Schwitzen eine Abnahme der Serumspiegel fest(7).

Infektionen des zentralen Nervensystems durch erhöhtes Aufkommen von erregerübertragenden Vektoren:

Die steigende Prävalenz und Inzidenz von Malaria in einigen Teilen der Welt steht in direktem Zusammenhang mit dem Anstieg der Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit – Bedingungen, die die Vermehrung der Mücken, die diese Krankheit übertragen, begünstigen(12). Die WHO schätzt, dass sich bei einem Anstieg um 2 bis 3 °C die ansteckungsgefährdete Bevölkerung um 3 bis 5 % erhöhen könnte(13). Malaria kann eine akute Enzephalitis mit Krampfanfällen hervorrufen, die bei Kindern besonders schwer verläuft(7).

Daneben kann die Aufnahme von Eiern des Schweinebandwurms (Taenia solium) mit kontaminierten Lebensmitteln zu einer Neurozystizerkose führen, die je nach geografischem Standort für 30 bis 50 % der Fälle von epileptischen Anfällen verantwortlich ist(7). Zwar gibt es bislang keine spezifischen Studien zu den Auswirkungen des Temperatur- und Feuchtigkeitsanstiegs auf die Verbreitung dieses Parasiten, jedoch könnten höhere Temperaturen in Verbindung mit mangelhaften sanitären Einrichtungen seine Ausbreitung begünstigen. Als gesundheitlich besonders kritisch erweist sich diese Situation in der Neuropädiatrie: Kinder, die an einer Neurozystizerkose erkranken, haben ein erhöhtes Risiko für bleibende neurologische Folgeerscheinungen und Entwicklungsprobleme.

Aufgrund des globalen Temperaturanstiegs könnten laut den Prognosen bis 2050 weitere 1,3 Milliarden Menschen dem Zika-Virus ausgesetzt sein(14). Voraussichtlich wird sich das Virus bis nach Westeuropa, Nordamerika und Ostasien ausbreiten(14). Besonders besorgniserregend aus neuropädiatrischer Sicht ist das Zika-Virus wegen seiner verheerenden Auswirkungen auf die fetale Entwicklung im Falle einer Infektion der Schwangeren. Das Virus ist assoziiert mit einer Zunahme von Fehlgeburten, Frühgeburten und vor allem mit Fällen von Mikrozephalie, die häufig mit schweren neurologischen Defiziten einhergeht(14,15).

Ein entsprechender, durch den Klimawandel verstärkter Trend zu steigender Prävalenz und Inzidenz zeigt sich auch bei anderen Infektionskrankheiten mit Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, etwa bei der Lyme-Borreliose und der Japanischen Enzephalitis. Auch bei diesen Krankheiten werden die Übertragungsmechanismen durch Temperatur- und Feuchtigkeitsänderungen beeinflusst, was das Expositionsrisiko und die neurologischen Komplikationen in der pädiatrischen Population erhöht(4).

Naturkatastrophen

Der Klimawandel spielt eine zentrale Rolle bei der Erhöhung der Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen. Ein Anstieg der globalen Temperaturen führt zu einer Zunahme der Wasserverdunstung und zur Sättigung der Atmosphäre mit Feuchtigkeit. Wenn diese Feuchtigkeit kondensiert, kommt es zu stärkeren Niederschlägen, die gegebenenfalls zu Überschwemmungen führen. Gleichzeitig erhöht sich durch die Intensivierung dieser Wetterphänomene die Stärke von Stürmen, die sich zu Hurrikanen, Taifunen und Tornados entwickeln können(16). Solche Naturkatastrophen beschränken sich nicht nur auf Schäden an der Umwelt, sondern bringen für die Bevölkerung auch ein erhöhtes Risiko physischer Traumata mit sich, einschliesslich traumatischer Hirnverletzungen. Solche Hirnverletzungen können zu neurologischen Komplikationen führen, beispielsweise einer posttraumatischen Epilepsie(7).

Mit der Häufung von Naturkatastrophen gefährdet der Klimawandel auch den Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten und verschärft damit vorbestehende Krankheiten. Während der Winterstürme im Februar 2021 in Nordamerika wurden mehr als 700 Todesfälle direkt oder indirekt mit dem Ereignis in Verbindung gebracht. 10 % davon waren auf die Verschlechterung vorbestehender Krankheiten im Zusammenhang mit einem eingeschränkten Zugang zu Behandlungen zurückzuführen. Bei Epilepsie-Betroffenen führten diese Ereignisse zudem zu einer Anfallshäufung, möglicherweise aufgrund von erhöhtem Stress und Medikamentenmangel. Kinder sind von den Risiken im Zusammenhang mit Unterbrechungen in der pharmazeutischen Lieferkette besonders betroffen(17).

Faktoren wie Schlafmangel, Stress und Temperaturschwankungen, in Kombination mit den Herausforderungen durch Umweltkatastrophen, verschärfen die strukturellen Ungleichheiten und gefährden unverhältnismässig stark die Gesundheit chronisch kranker Kinder. Fast 10 % der betroffenen Kinder hatten bei diesen Anfällen keinen Zugang zu Medikamenten, was zu einem Anstieg der Notfallkonsultationen führte. Trotz ausreichender Arzneimittelreserven berichteten viele Familien über eine erhöhte Anfallshäufigkeit, was die tiefgreifenden Auswirkungen von Umweltstress auf das Management von Epilepsie bei Kindern untermauert(17).

Umweltverschmutzung

Der Klimawandel führt zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre und begünstigt so die Schadstoffanreicherung, was zu erhöhter Luftverschmutzung beiträgt. Die Luftverschmutzung verstärkt sich zusätzlich durch höhere Temperaturen und verstärkte Luftstagnation im urbanen Raum und hat besorgniserregende Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung von Kindern. Bei kleinen Kindern sowie während der intrauterinen Lebensphase ermöglicht die erhöhte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke, dass feine und ultrafeine Partikel aus der Luft direkt in das Gehirn gelangen(18). Zahlreiche klinische Studien in der Humanforschung deuten darauf hin, dass die pränatale Exposition gegenüber Substanzen, die bei der Verbrennung entstehen, wie PM2.5-Feinstaub, zu dem insbesondere polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie Stickstoffdioxid (NO2) gehören, mit Komplikationen in der Entwicklung verbunden ist, die sich bereits in der frühen Kindheit manifestieren. Diese Störungen beeinträchtigen die Hirnstruktur und vermindern die Leistungen in Entwicklungstests. Beispielsweise ist die Exposition gegenüber PAK in der Schwangerschaft mit einer Abnahme der weissen Hirnsubstanz und Verzögerungen bei der Informationsverarbeitung assoziiert, was sich bei manchen Kindern in ADHS-Symptomen und einer Intelligenzminderung ausdrückt. Ebenso korrelieren hohe PM2.5-Konzentrationen mit einer Abnahme der kortikalen Dicke und des Corpus-callosum-Volumens, was mit einer Beeinträchtigung der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten einhergeht. Die NO2-Exposition ist zudem mit Störungen der psychomotorischen Entwicklung assoziiert(18,19). Zusammen tragen diese Veränderungen zur Entstehung neurologischer Entwicklungskrankheiten bei(18). Diese Ergebnisse sprechen damit eindeutig für die indirekten, aber signifikanten Auswirkungen des Klimawandels auf die neurologische Gesundheit von Kindern über die Verstärkung der Luftverschmutzung.

Neben Entwicklungsstörungen könnte die klimawandelbedingte Luftverschmutzung auch einen Einfluss auf die Inzidenz von Schlaganfällen bei Kindern und Jugendlichen haben(20). Der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und ischämischen Schlaganfällen wurde auf zwei Ebenen nachgewiesen: Zum einen lässt sich die Langzeitexposition als chronischer Risikofaktor für ischämische Schlaganfälle einordnen; zum anderen kann die Kurzzeitexposition bei Personen mit prädisponierenden vaskulären Risikofaktoren als Auslöser für einen akuten ischämischen Schlaganfall wirken. Hinsichtlich der zugrunde liegenden Mechanismen gibt es nach wie vor nur Hypothesen, wonach aber vermutlich oxidativer Stress, Entzündungen sowie Störungen des autonomen Nervensystems beteiligt sind. Diese Mechanismen sollen dann zu schädlichen Wirkungen am zerebrovaskulären System führen(21). Vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung könnte das Fortbestehen oder gar die Verschlimmerung der Umweltverschmutzung in einigen Regionen indirekt zu einer besorgniserregenden Zunahme solcher schweren neurologischen Ereignisse beitragen.

Klima-Angst, Stress und Schlaf

Extreme Wetterereignisse (Überschwemmungen, Flächen- und Waldbrände, Stürme) sind die Ursache für posttraumatische Erkrankungen, Depressionen und Angststörungen, mit Prävalenzen von bis zu 83 % für die posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) und bis zu 66 % für affektive Störungen vom depressiven Typ(22). Neben affektiven Störungen wurde bei Kindern, die extremen Wetterereignissen (EWE) ausgesetzt waren, namentlich Hitzewellen in Kalifornien oder Tornados, auch über gehäufte Externalisierungen wie aggressives Verhalten berichtet(23). Diese Verhaltensmanifestationen unterstreichen die potenziellen Folgen von EWE nicht nur für die psychische Gesundheit, sondern auch für die kognitive Entwicklung von Kindern. Entsprechend ergab eine australische Studie, die nach dem Buschfeuer in Victoria im Jahr 2009 mit mehr als 24’000 Schülerinnen und Schülern durchgeführt wurde, eine signifikante Abnahme der Lese- und Rechenkompetenzen bei Kindern, die Schulen in stark betroffenen Gebieten besuchten. Der Rückgang der schulischen Leistungen war besonders ausgeprägt bei Kindern, die zum Zeitpunkt des Ereignisses eine höhere emotionale Belastung zum Ausdruck gebracht hatten(23). Darüber hinaus wurden auch längerfristige psychologische Folgen beobachtet, mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung, die mitunter länger als zwei Jahre nach der Katastrophe noch anhielten. Die Reaktion eines Kindes auf ein traumatisches Ereignis hängt von der Ausgewogenheit zwischen protektiven und Vulnerabilitätsfaktoren ab, die seine Entwicklung beeinflussen.

Die Störungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem Ereignis oder mit den Auswirkungen auf das unmittelbare Umfeld. Auch unabhängig von der direkten Betroffenheit durch Katastrophenereignisse geht die globale Sensibilisierung für Folgephänomene des Klimawandels mit einer Zunahme von Angstzuständen und Depressionen einher, die als «Klima-Angst» definiert werden.

Vor dem gegenwärtigen Hintergrund des Klimawandels sind besonders Kinder und junge Erwachsene anfällig für Klima-Angst; dabei handelt es sich um ein wissenschaftlich umfangreich dokumentiertes Phänomen(24,25). Seine Auswirkungen werden zusätzlich verstärkt durch prekäre Verhältnisse mit erschwertem Zugang zu entsprechender Gesundheitsversorgung. Klima-Angst ist gekennzeichnet durch Symptome von Traurigkeit, Wut und dem Gefühl der Ohnmacht, was sich wiederum auf die Lebensqualität auswirkt(24). In einer weltweiten Umfrage unter 10’000 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren gaben 59 % an, wegen des Klimawandels sehr oder äusserst besorgt zu sein, wobei 47 % berichteten, dass sich diese Bedenken ungünstig auf ihr tägliches Leben auswirkten(25). Diese Zunahme der Belastung im Zusammenhang mit der Sorge um die Zukunft des Planeten kann tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit haben.

Besonders besorgniserregend ist der durch den Klimawandel und seine Folgen hervorgerufene emotionale Stress, der bei mehr als 80 % der Epilepsie-Betroffenen das Auftreten von Anfällen begünstigen kann(7). Bei Personen, die eine besondere Neigung zu stressinduzierten Anfällen zeigen, geht den Anfällen eine spezifische Reaktion des Gehirns voraus, die gekennzeichnet ist durch eine Korrelation zwischen dem Cortisolspiegel und den interiktalen Entladungen sowie einer allgemein verminderten funktionellen Konnektivität in den EEG-Kurven(7). Veränderungen der Schlafgewohnheiten, Temperaturschwankungen und Stress begünstigen bei vielen Patient:innen das Auftreten von Anfällen(17).

Einer der wichtigsten auslösenden Faktoren von epileptischen Anfällen sind Müdigkeit und Schlafmangel. Stressbedingter Schlafentzug kann die Müdigkeit erhöhen und die Anfallskontrolle verschlechtern(4,7). Während Hitzewellen wurde bei Kleinkindern und Jugendlichen ein fragmentierter und verminderter Schlaf beobachtet, mit einem Rückgang des N3- und des REM-Schlafes, die für die kognitive Leistungsfähigkeit, die emotionalen Funktionen des Gehirns, die Anfälligkeit für chronische und Infektionskrankheiten und die Fähigkeit zur Krisenbewältigung von grundlegender Bedeutung sind(26). Die nächtlichen Temperaturen steigen schneller an als die Tagestemperaturen. Dieser Anstieg verschlimmert die Schlafstörungen und verschärft damit die Gefahren im Zusammenhang mit einem ineffektiven Anfallsmanagement(27).

Nicht zuletzt forciert der Klimawandel auch Migrationsbewegungen aus den am stärksten betroffenen Ländern in solche, welche die Folgen weniger direkt zu spüren bekommen. Bei unbegleiteten Minderjährigen beispielsweise, die aufgrund der Ungewissheit hinsichtlich ihrer Zukunft und infolge der traumatischen Ereignisse während der Trennung von ihrem familiären Umfeld besonders schutzbedürftig sind, kann die neurologische Entwicklung infolgedessen beeinträchtigt sein. Neben der medizinischen Grundversorgung wie Impfungen und Tests auf Infektionskrankheiten, die das Auftreten neurologischer Komplikationen bei bestimmten Erkrankungen oftmals verhindern können, benötigen diese jungen Migrant:innen möglicherweise psychologische Unterstützung, um die durchgemachten Traumata zu verarbeiten, sowie gezielte neurologische Behandlungen gegen häufig beobachtete Symptome wie Spannungskopfschmerzen(28).

Schlussfolgerung

Der Klimawandel kann unbestreitbar Auswirkungen auf Kinder mit neurologischen Erkrankungen nach sich ziehen. Angesichts des globalen Temperaturanstiegs, den immer häufigeren Naturkatastrophen und der zunehmenden Umweltverschmutzung besteht die Gefahr neuer Problematiken, durch die sich deren Bewältigung erheblich komplexer gestalten könnte. Umso wichtiger ist es, das Bewusstsein für diese Herausforderungen zu schärfen, um zukünftigen gesundheitlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.

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Korrespondenz

Autor:innen

  • Nora Hazan
    Université de Lausanne
  • Dr med. Christian Korff
    Responsable d’unité de Neuropédiatrie, HUG et Université de Genève
  • Dr med. Dante Trojan
    Médecin adjoint et responsable d’unité de Pédopsychiatrie, HUG, Genève